3 Fragen an Pfarrer Dr. Andreas Goetze
Pfarrer Dr. Andreas Goetze ist bei der EKBO für interreligiösen Dialog zuständig. Das Leben demokratischer Werte - nicht nur in seinem Berufsalltag - ist für ihn selbstverständlich.
Was bereitet Ihnen Sorge?
Die immer weiter auseinandergehende Schere zwischen arm und reich, die Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen, die menschenverachtende Asyl- und Abschiebepolitik in der EU, der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe, die Diskriminierungen aufgrund von Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung: Die Religionsgemeinschaften in ihrer Vielfalt können ihre Stimme noch deutlicher gemeinsam erheben gegen die wachsende Armut und soziale Ungleichheit im Land, die immer mehr Menschen, unabhängig von Herkunft und Glaube, von gesellschaftlicher Teilhabe ausschließt. Da wünsche ich mir noch mehr gemeinsam verantwortete Aktionen, die soziale Gerechtigkeit und Frieden fördern - auch mit denen, die sich von Religion distanziert haben oder ihr skeptisch gegenüberstehen.
Was gibt ihnen Halt?
Tragfähige Beziehungen durch Familie und Freunde, mein Glaube an Gott, der mich nie aufgibt. Ich weiß mich geliebt, getragen, ermutigt, beschenkt. Das motiviert mich dazu, mich nach meinen Möglichkeiten mit anderen zusammen für eine gerechtere und friedlichere Welt einzusetzen und auch Verantwortung zu übernehmen. Denn Gott ist auf der Seite der Ausgegrenzten. Es muss dabei nicht alles gelingen, aber ich bleibe auf dem Weg. Ich muss mir nichts beweisen. Ich kann mich anderen in aller Gelassenheit öffnen. Das Leben ist schön. Ich bin dankbar. Mein Leben hat eine hoffnungsfrohe Perspektive.
Was macht Ihnen Hoffnung?
Ich kenne so viele Menschen, die sich für andere gerade in diesen besonderen Zeiten engagieren. Ich denke z. B. an die Menschen, die sich täglich in der Telefonseelsorge den Fragen und Sorgen der Anrufenden aussetzen, ihnen Zeit schenken, zuhören. Sie hören von Einsamkeit, Gewalt, von Existenzsorgen und Krankheit. Und sie bleiben dabei. Das beeindruckt mich und gibt mir Hoffnung: Es geschieht so viel Liebevolles um uns herum. Viele erzählen mir, wie sie für die kleinen Dinge wieder dankbar sind. Ja, mir ist in dieser Pandemie tiefer bewusst geworden, wie begrenzt und verletzlich mein Leben ist, zugleich aber auch wie unendlich kostbar. Zum neuen Jahr habe ich in einer Mail das nachfolgende arabische Sprichwort erhalten: „Humor und Geduld sind zwei Kamele, mit denen du durch jede Wüste kommst.“ Das ließ mich schmunzeln. Hoffnung bedeutet für mich, einen weiten Horizont geschenkt zu bekommen. Ich bin ja im interreligiösen Dialog mit Menschen anderer Religionsgemeinschaften verbunden und merke immer wieder, wie der persönliche Austausch über unseren Glauben, unsere inneren Ressourcen, unsere Kraftquellen von Gott her uns wechselseitig reich beschenkt und den Horizont weitet. Diese innere Verbundenheit stimmt mich für unser gesellschaftliches Miteinander hoffnungsfroh.