Umfrage von Diakonie und DEVAP: Vier von fünf Pflegeeinrichtungen müssen Angebote einschränken – 89 Prozent der Pflegedienste mussten bereits neue Pflegekunden ablehnen
Gemeinsame Pressemitteilung von Diakonie Deutschland und Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege e.V.
Die Versorgungssicherheit in der Langzeitpflege ist akut gefährdet. Mehr als Zweidrittel der Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste in der Diakonie (76 Prozent) mussten in den vergangenen sechs Monaten bereits Leistungen auf Grund von Personalmangel sowie wegen kurz- und langfristigen Erkrankungen von Mitarbeitenden einschränken. In der stationären Pflege konnten 72 Prozent der Träger Leistungen nicht erbringen. Dies betrifft vor allem die Neubelegung freier Betten. Die Versorgungssituation in der ambulanten Pflege ist noch prekärer: 89 Prozent der Dienste mussten in den letzten sechs Monaten Neukundinnen ablehnen und 29 Prozent konnten im selben Zeitraum Leistungen von Bestandskunden nicht aufstocken. Als Hauptgrund wird auch hier fehlendes Pflegepersonal genannt. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege e.V. (DEVAP) und der Diakonie Deutschland unter mehr als 600 ihrer Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste in ganz Deutschland hervor.
Andrea U. Asch, Vorständin Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz:
"Die aktuelle Diakonie-Umfrage macht deutlich: Pflegebedürftige und Pflegekräfte brauchen Versorgungssicherheit. Der Personalmangel in den Pflegeeinrichtungen ist ein Symptom für das Versagen der Politik. Alle paar Jahre wurde ein kleines Reförmchen auf den Weg gebracht. Die grundsätzlichen Probleme werden nicht angegangen. Das eigentliche Ziel der Pflegeversicherung, Pflegebedürftige vor Armut zu schützen wurde verfehlt. Bereits heute sind 400.000 pflegebedürftige Menschen auf Sozialhilfe angewiesen.
Für Berlin und Brandenburg brauchen wir die Pflegekassen dringend als verlässliche Partner. In den laufenden Verhandlungen über bessere finanzielle Bedingungen für die Pflegeeinrichtungen glänzen sie stattdessen mit Untätigkeit und schieben Personalnot vor. Das ist verantwortungslos.
Nur mit einer grundlegenden Pflegereform nehmen wir den Einrichtungen, Mitarbeitenden, Pflegebedürftigen und ihren pflegenden An- und Zugehörigen die Belastungen ab, die sich seit Jahren angestaut haben. Altern in Würde ist ein Menschenrecht. Pflege in Würde ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, auf die Pflegebedürftige, Angehörige und alle Mitarbeitenden unserer diakonischen Einrichtungen und Dienste ein Anrecht haben."
Maria Loheide, Sozialvorständin der Diakonie Deutschland:
„Die Zahlen zeigen es: Wir sind bereits mitten in einer akuten Pflegekrise. Nötig ist ein radikales Umdenken in der Politik, wenn wir die Pflege vor dem Kollaps bewahren wollen. Wir brauchen eine gemeinsame gesellschaftliche und politische Anstrengung, um das Pflegesystem zu heilen. Die Pflegeversicherung braucht eine gesicherte Finanzierung, damit sie die pflegebedürftigen Menschen, die pflegenden Angehörigen und die Pflegedienste und -einrichtungen entlasten und handlungsfähig machen kann. Sonst steuern wir von der akuten Krise in die Katastrophe, in der Pflegebedürftige nicht mehr professionell versorgt und pflegende Angehörige unterstützt werden können“.
Wilfried Wesemann, Vorsitzender des DEVAP:
„Das Versorgungsangebot reduziert sich trotz steigender Nachfrage massiv, gleichzeitig steigen die Insolvenzen. Die Politik muss jetzt mit einer grundlegenden Struktur- und Finanzreform der Pflege beginnen, damit wir endlich vor die Krise kommen. Lauterbachs Pläne für eine kleine Pflegereform enthalten sinnvolle Bausteine, die allerdings auf einem sehr brüchigen finanziellen Fundament stehen. Die vorgesehene Erhöhung des Beitragssatzes auf 3,4 Prozent reicht bei weitem nicht aus, um die notwendige Versorgung der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland hinreichend zu sichern. Wir brauchen jetzt einen Bundeskanzler, der sich zumindest an die Erfüllung des Koalitionsvertrages 2021-2025 hält.“
„Wir fordern neben einer grundlegenden Reform der Pflege gemeinsam mit vielen anderen Akteurinnen und Akteuren einen Pflegegipfel, bei dem wir einen Masterplan für die Zukunft der Pflege entwickeln. Die klugen Ideen und Konzepte sind da, um die Katastrophe abzuwenden und endlich gesamtgesellschaftlich die Pflege zu sichern“, so die Verbände.
Zur Umfrage
Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege e.V. (DEVAP) befragte insgesamt 655 Pflegeeinrichtungen und Dienste der Diakonie in einer Ad-hoc-Umfrage vom 29. März bis 24. April 2023 zu ihrer aktuellen Situation, davon 64 Prozent aus der stationären Langzeitpflege, 30 Prozent ambulante Pflege, vier Prozent Tagespflege sowie jeweils ein Prozent Pflegeschulen und Hospize. Die Teilnehmenden kamen vorwiegend aus Nordrhein-Westfalen (30 Prozent), Niedersachsen (24 Prozent) und Hamburg (acht Prozent).
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