Tischgespräche mit SozDia in Hellersdorf - Warum wir mehr miteinander reden müssen
Es ist ein Abend wie jeder andere in Hellersdorf. Die Straßen sind ruhig, der Feierabend liegt in der Luft, Nachrichten flimmern über die Bildschirme von Fernsehern und Handys. Aber unter der Oberfläche brodelt etwas. Nicht nur in Hellersdorf. Überall in Deutschland herrscht eine bedrohliche Stimmung: Unsere Demokratie ist in Gefahr. Was einst als selbstverständlich galt, ist nun in Frage gestellt. Doch inmitten dieser Unsicherheit versammelt sich eine Gruppe von 50 Menschen in den Räumen der Evangelischen Kirchengemeinde. Menschen verschiedener Hintergründe und Überzeugungen, bereit, sich auf die Herausforderungen unserer Zeit einzulassen.
Die Tischgespräche in Hellersdorf, organisiert vom Projekt Welcome! der SozDia Stiftung Berlin, dem Bündnis für Demokratie und Toleranz Marzahn-Hellersdorf, der Koordinierungsstelle für Demokratieentwicklung Marzahn-Hellersdorf und der Ev. Kirchengemeinde, sind mehr als nur ein Treffen. Sie sind der Versuch, verhärtete Fronten zu durchbrechen.
Als der Sozialwissenschaftler Daniel Kubiak von der Humboldt-Universität Berlin das Wort ergreift, füllt seine Stimme den Raum mit Entschlossenheit. "Der Schutz der Demokratie ist eine Daueraufgabe", verkündet er, und seine Worte hallen in den Köpfen der Zuhörer wider. Es ist ein früher Moment der Klarheit, ein Moment der Einigkeit darüber, dass wir alle eine Verantwortung tragen, unsere demokratischen Werte zu verteidigen.
Die anschließenden Diskussionen sind lebhaft und kontrovers. Die Teilnehmenden tauschen Meinungen aus, debattieren über die wachsende Polarisierung der Gesellschaft, über soziale Ungleichheit und die Zusammenhänge von Klimawandel und Migration. Ganz frei, ganz offen.
Und dann kommt sie, diese eine Zwischenfrage aus dem Publikum. Warum werde in Deutschland immer gegen die AfD gewettert? Die Stille, die folgt, ist greifbar. Daniel Kubiak, der die Frage mit einem ruhigen Lächeln entgegennimmt, wählt seine Worte mit Bedacht. "Wenn wir von Rechten sprechen, so ist das eigentlich ein weiter gefasster Begriff“ - auch die CDU sei politisch rechts. „Darüber müssen wir genauso reden“. Vor allem aber habe die Geschichte immer gezeigt, dass mit dem Erstarken rechter Parteien und deren Rhetorik ein Anstieg von rassistischen Straftaten zu verzeichnen sei: „Worte führen zu Taten“.
Mit Nachdruck betont er, weiten Teilen der AfD gehe es darum, dass Grundgesetz auszuhöhlen oder gar abzuschaffen. Nicht ohne Grund heiße es „Faschisten werden nur einmal gewählt“.
Aber was tun? Wie gehen wir um mit der Bedrohung? Wie reden wir mit Rechten? Im Namen der Wissenschaft spricht Kubiak deutliche Worte: Der öffentliche Dialog mit der AfD reproduziert Rassismen und Narrative in großem Stil, was diese nur verfestigt und legitimiert.
Umso wichtiger seien die kleinen Räume, wie die der Tischgespräche, in denen im direkten Austausch zwischenmenschlich und empathisch sämtliche Themen angesprochen werden können.
Und so herrscht am Ende des Abends eine Atmosphäre der Hoffnung und des Optimismus. Viele der Teilnehmenden sind ermutigt durch die Offenheit und den Respekt, mit dem sie einander begegnet sind und geeint in der gemeinsamen Erkenntnis: „Wir müssen mehr miteinander reden!“
Die nächsten Tischgespräche finden am 23. Mai 2024 von 17:30 – 22:00 Uhr in den Räumlichkeiten der Evangelischen Kirchengemeinde Marzahn-Nord, Schleusinger Str. 12, statt. Getränke und Abendessen sind kostenlos.