Kampf gegen wachsende Stadtarmut ist gemeinsame Kraftanstrengung

Mehr als Geldmangel

11.10.2025

Angesichts steigender Armutszahlen fordert die Diakonie in Berlin besser ausgestattete Angebote für einkommensarme Familien, Schutz gegen Wohnungsverlust und eine gerechte Wohnungsvergabe sowie einen erleichterten Zugang zu Transferleistungen. Der Kampf gegen die vielfältigen Gründe und Formen von Stadtarmut muss von allen politischen Ressorts unterstützt werden.

„Armut bedeutet weit mehr als Geldmangel“, sagt Diakonie-Direktorin Dr. Ursula Schoen. „Es geht um gleiche Bildungschancen, menschenwürdige Wohnverhältnisse, gerechten Zugang zur Gesundheitsversorgung und vor allem um Teilhabe an der Stadtgesellschaft. Wir müssen Armut konsequenter entgegenwirken mit sozialraumorientierten Angeboten, gut erreichbarer Beratung vor Ort und einer armutsfesten Grundsicherung. Armutsfest bedeutet, dass Menschen wirklich wohnen, sich gesund ernähren, medizinisch versorgen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, ohne unüberwindbare Hürden und Scham.

Berlin gehört bundesweit zu den Städten mit der höchsten Armutsquote. Rund 19 % der Bevölkerung gelten als armutsgefährdet. Besonders betroffen sind Kinder (23 %), junge Erwachsene (32 %), Alleinerziehende, Langzeiterwerbslose (80 %) sowie Menschen mit Migrationsgeschichte (29 %). Viele von ihnen leben in angespannten Wohnverhältnissen oder verlieren den Zugang zu existenzsichernden Leistungen, weil bürokratische und digitale Hürden zu hoch sind, bis zu 60% der Anspruchsberechtigen verzichten aus Scham oder Unkenntnis auf das Bürgergeld. Auch im Bereich Gesundheit hat Armut ernsthafte Konsequenzen: Armutsbetroffene Menschen verzichten häufig auf die neue Brille, den dringend notwendigen Zahnersatz, zuzahlungspflichtige Medikamente und ärztliche Vorsorgeuntersuchungen.

Die Kürzungen bei den niedrigschwelligen Hilfsangeboten im Berliner Haushaltsentwurf sollen nun auf Druck der Sozialverbände und Abgeordneten zurückgenommen werden. Die Allgemeinen Unabhängigen Sozialberatungsstellen müssen allerdings seit Jahren aufgrund fehlender Kapazitäten viele Ratsuchende abweisen. Auch die Beratungsstellen und Angebote der Wohnungslosenhilfe leiden angesichts steigender Zahlen der von Wohnungslosigkeit bedrohten und betroffenen Menschen deutlich unter dem Sparzwang.

Diakonie-Direktorin Dr. Ursula Schoen: „Sozialberatung darf kein Luxus sein und muss den Bedarfen angepasst werden. Sie ist ein Grundpfeiler sozialer Gerechtigkeit. Unsere Einrichtungen erleben täglich, wie Menschen durch bürokratische Hürden keinen Zugang zu existenzsichernden Leistungen haben. Wir brauchen mehr statt weniger Beratung. Nah an den Menschen, verlässlich und erreichbar.“

In der diakonischen Praxis fördern vielfaltsorientierte Programme wie die Stadtteilmütter oder Quartiersprojekte den direkten Kontakt zu Familien, stärken Nachbarschaften und ermöglichen frühe Unterstützung in Notlagen. Solche niedrigschwelligen Ansätze sind von Jahr zu Jahr prekär finanziert, Bescheide ergehen teils erst kurz vor Jahresende, Arbeitsverträge mit hochqualifizierten Fachkräften können erst kurz vor Jahresbeginn geschlossen werden. Diakonie-Direktorin Dr. Ursula Schoen: „Für unsere Einrichtungen wird es immer schwieriger, Menschen in komplexen Lebenssituationen zu erreichen, Vertrauen aufzubauen. Armut hat vielschichtige Ursachen und verstärkt sich dort, wo sich soziale, gesundheitliche oder bildungsbezogene Benachteiligungen überlappen. Wir brauchen vernetzte Strategien, die die Lebensrealitäten von Familien, älteren Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte und Alleinerziehenden gemeinsam in den Blick nehmen.“

Die Diakonie vertritt als Dach- und Spitzenverband in Berlin 19 Träger im Bereich der Existenzsicherung mit 28 Einrichtungen – darunter 14 unabhängige Sozialberatungen, 6 Schuldnerberatungen, 8 Stadtteilzentren und 111 Stadtteilmütter. In Brandenburg betreiben diakonische Träger 36 Einrichtungen, darunter 24 Sozialberatungsstellen und 12 Schuldnerberatungen.

 

Versanstaltungshinweis und Herzliche Einladung

Weder faul noch sexy – Stadtarmut in Berlin
Bürger:innen-Talk in Kreuzberg:

Die Diakonie bringt ein Jahr lang Monat für Monat scheinbar unlösbare Probleme unserer Stadtgesellschaft auf die große Bühne. Gemeinsam mit Spitzenpolitik, Wirtschaft und Sozialexperten überlegen Bestseller-Autorin Anne Rabe und Tagesspiegel-Herausgeber Lorenz Maroldt im Wechsel wie es in Jugendhilfe, Inklusion, bei Wohnen und Bauen, Gesundheit und vielem mehr weitergehen kann. Das Beste: Alle Bürgerinnen und Bürger reden mit. Offen und ehrlich, mit einem gemeinsamen Ziel. Los geht es in der Passionskirche Kreuzberg mit der schwierigen Frage: Was bedeutet es heute, in Berlin unter prekären Bedingungen aufzuwachsen und wie können wir die Armutsspirale beenden?

Alle Infos unter Zukunft Berlin | Der Bürgertalk - Diakonie - DWBO

Gäste: Cansel Kiziltepe (SPD), Max Kindler (CDU), Sabine Werth (Gründerin Berliner Tafel und Unternehmerin), Dr. Kai Lindemann (Berliner Arbeitslosenzentrum)
Wo: Passionskirche, Marheinekeplatz 1, Kreuzberg
Wann: 14.10.2025, 17:00 Uhr Tickets:  Freier Eintritt

Wir freuen uns, wenn Sie die Veranstaltung in Ihrem Medium bewerben und freuen uns auf Ihre persönliche Teilnahme. Geben Sie uns bitte kurz Bescheid, wenn Sie eine Berichterstattung planen. So können wir die Interviewmöglichkeiten mit Moderatorin oder Panelist:innen besser koordinieren.

Ihr Ansprechpartner

Sebastian Peters

Leiter Politik und Kommunikation Pressesprecher

030 82097110 0173 6033322

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