„Wir mussten die Reißleine ziehen“ Mit der Inflation geht Berlins freien Kitas die Luft aus
Mit der Inflation geht Berlins freien Kitas die Luft aus. Ein Erfahrungsbericht.
Kurz vor den Schließzeiten sind die Aussichten für zukünftige Kita-Eltern schlecht: Aktuell werden 250 Millionen EUR für den dringend notwendigen Kita-Ausbau benötigt. Der Berliner Senat sieht nur ein Fünftel dieser Summe vor und stellt den landeseigenen Betrieben mehr Fördermittel zur Verfügung. Der Kitaplatzausbau der freien Träger ist ganz konkret in Gefahr.

80% der Berliner Kitas sind in freier Trägerschaft.
„Die neue Kita in Lichterfelde war eine echte Herzensangelegenheit für uns und der Bezirk war zunächst sehr aufgeschlossen. Aber im Mai 2022 mussten wir die Reißleine ziehen. Die finanziellen Rahmenbedingungen stimmen überhaupt nicht mehr. Dabei werden die Plätze doch dringend gebraucht.“ Sabine Hafener, Geschäftsführerin des Diakonisches Werkes Steglitz Teltow-Zehlendorf und erfahrende Kita-Projektentwicklerin fühlt sich von Politik und Verwaltung im Stich gelassen. Und damit ist sie nicht alleine: Zahlreiche Bauvorhaben in freier Trägerschaft stocken oder werden ganz aufgegeben.
„Wir hatten 150 Plätze auf einem großen Gemeindegrundstück geplant. Mit unserem auf den Standort ausgerichteten Konzept und einer integrativen Padägogik wollten wir Diakonie im Kiez erlebbar machen und Eltern entlasten.“ Nach kräftezehrenden Auseinandersetzungen mit den lokalen Behörden und trotz kreativer Umplanungen stand Anfang 2022 eine Baugenehmigung für nur 90 Plätze. Zu wenig für eine tragfähige Finanzierung bei den kontinuierlich steigenden Baukosten und der aktuellen Landesförderung.
Astrid Engeln, Leiterin des Arbeitsbereichs Kindertageseinrichtungen in der Diakonie Berlin zeigt sich enttäuscht: „Was mich ärgert: Wenn Bauprojekte wie dieses – getrieben von langjähriger fachlicher Expertise und hohem inhaltlichen Engagement – die gleiche Förderung bekommen würden wie die Bauvorhaben der landeseigenen Kitaträger, wären die benötigten 20.000 Plätze unproblematisch zu schaffen. Im Interesse von Eltern und Familien muss die Landespolitik hier umsteuern.“
Während das Land Berlin die eigenen Modularen Kita-Bauten mit bis zu 69.000 EUR pro Platz finanziert, müssen die freien Träger mit maximal die Hälfte dieser Summe auskommen. Dabei betreiben sie 80 % der Berliner Tageseinrichtungen für Kinder. Die meisten dieser Trägereinrichtungen können als kleine und mittlere Unternehmen nicht auf nennenswerte Sicherheiten wie Immobilien oder Grundstücke zurückgreifen und haben so auch keinen Zugang zu günstigen Krediten.
Geschäftsführerin Hafener: “Wir könne jetzt nur noch darauf hoffen, im diakonischen Verbund einen starken Träger zu finden, der das Projekt übernimmt. Das ist in diesen unsicheren Zeiten und bei dem fehlenden politischen Rückhalt allerdings zu bezweifeln. Und dann versandet die aufwändige Planung. Wenn man so viel Herzblut in ein Projekt gesteckt hat, ist es richtig frustrierend, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird.“
Sabine Hafener gibt trotz solcher Rückschläge die Hoffnung nicht auf, dass sich der Wind dreht, und noch viele gute, profilierte Kitas mit engagierten Fachkräften entstehen können.
Diakonie-Vorständin Andrea U. Asch: „Die Senatsverwaltung sollte hier keinesfalls auf kurze Sicht fahren. Berlin ist weiterhin eine überproportional wachsende Stadt mit starker Zuwanderung. Es kann nicht gewollt sein, dass Eltern weiterhin ihre Kleinsten durch die halbe Stadt zum Kitaplatz fahren müssen. Eine wohnortnahe Betreuung und ausreichende Versorgung gerade in benachteiligten Kiezen muss in der Vergabe von Baubescheiden Vorrang haben. Dafür müssen die Förderpauschalen an die Bedarfe angepasst werden.“
Im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DWBO) sind 299 Tageseinrichtungen für Kinder verbunden. 80% der Kitas und Horte werden in freier Trägerschaft (nicht von öffentlichen Einrichtungen) geführt.
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PM Berliner Kita-Bündnis "200 Tage Rot-Grün-Rot - Noch ein weiter Weg zur #Zukunftshauptstadt"
und
Hintergrundpapier Berliner Kita-Bündnis Mehr gute Kita-Plätze für Berlin! Das BERLINER KITABÜNDNIS fordert, alle Kita-Plätze zu erhalten und weitere 20.000 Plätze in der nächsten Legislatur bis 2026 zu schaffen.

Astrid Engeln (in Elternzeit)
Leiterin des Arbeitsbereiches Kindertageseinrichtungen und Ganztag und Geschäftsführerin des VETK,
Fachpolitische Interessenvertretung in Berlin und Brandenburg
030 820 97 152