Vier Ansätze für eine gute Kitalandschaft
Streik und Tarif-Entlastungsverträge sind keine geeigneten Lösungen
Die Kita-Träger der Berliner Diakonie blicken voller Sorge auf die Entwicklungen in den Berliner Kita-Eigenbetrieben. Einerseits begrüßen sie, dass sie von den wahrscheinlichen Streiks und dem Konflikt zwischen Berlin und ver.di nicht betroffen sind. Andererseits tragen sie mit rund 17.000 Kita-Plätzen in Berlin Verantwortung in der guten Bildungsarbeit für Kinder und die dringend nötige Kinder-Betreuungs-Verlässlichkeit für die Familien. Alle Kindertageseinrichtungen benötigen dazu Erzieher:innen, deren Arbeitsbedingungen so gestaltet sind, dass sie den Arbeitsalltag in der Kita gut bewältigen können. Überlastetes und ausgebranntes Personal nützt niemandem, am allerwenigsten den Kindern.
Die Kita-Erzieher:innen beklagen völlig zurecht die zurzeit große Belastung im Kita-Alltag. Landeseigene Betriebe brauchen ebenso wie Kitas in Freier Trägerschaft gute Rahmenbedingungen für Finanzierung und Qualitätsanforderungen.
Wir sind aber der Auffassung: Kita-Streik ist kein mass- und sinnvolles Mittel, um Forderungen durchzusetzen. Denn ein Kita-Streik belastet vor allem die Kinder und Familien. Streit und Streik führt mittlerweile in Berlin sogar zur Abwertung des erfüllenden Berufsbildes Erzieher:in. Hier bräuchte es viel mehr Berichte über das, was täglich Gutes mit den Kindern gelingt, über die positiven, lebens- und zukunftsfördernden Wirkungen.
Jetzt ist das Land Berlin am Zug. Trotz knapper Kassen. Wir sind überzeugt: mit einigen intelligenten Steuerungen von Rahmenbedingungen kann im Berliner Kita-System kurzfristig spürbare Entlastung bei überschaubaren Mehrkosten gelingen. Ver.dis Forderung nach einem sogenannten Entlastungs-Tarifvertrag für Kita-Erzieher:innen in Berlin ist aus unserer Sicht keine geeignete Lösung.
Vier gute Lösungswege, die für alle Erzieher:innen von Vorteil wären:
- Das Kita-Chancen-Jahr mit multiprofessionellem Team konzeptionell gut vorbereiten und Personal aufstocken: Berlin beabsichtigt zum nächsten Jahr eine Kitapflicht ein Jahr vor Schulbeginn einzuführen. Im Jahr vor der Schule sollen Kinder, die bisher nicht die Kita besuchten, „fit“ für den Schulbesuch werden. Ein richtiger Schritt, denn viele dieser Kinder sprechen zum Beispiel in ihrer Familie nicht sicher deutsch, ihre Chancen in der Schule sind so von vornherein eingeschränkt. Der Kita-Besuch kann eine Lösung sein. Wenn diese Kinder im letzten Kita-Jahr in die Kita kommen, werden sie ganz anders herausfordernd sein als Kinder, die schon jahrelang Kita und Lernen in der Gruppe geübt haben. Diese Kinder einfach durch Anwesenheit in die bestehenden Kita-Gruppen zu integrieren, wird nicht überall reibungslos funktionieren. Hier erwarten wir zusätzlichen Stress für die Kindergruppen und Kita-Erzieher*innen. Es bedarf zur Aufnahme der Kita-Chancen-Jahr-Kinder gezielte Konzepte mit multiprofessionellen Teams, die auch Personalzuwächse beinhalten. Dann könnte das Kita-Jahr gelingen.
- Einführung von Kita-Sozialarbeit in allen Kitas: Eltern kommen nicht nur mit ihren Kindern, sondern auch mit ihren Fragen, Sorgen, Nöten und Problemen in die Kita. Wie gut, das siedas Gespräch suchen - wie unverständlich, dass alle Bedarfe über Kita-Betreuung hinaus bis hin zur Wahrnehmung von kinderschutzrelevanten Umständen in der Finanzierung der Kita-Arbeit in Berlin nicht vorgesehen sind. In unserer krisenhaften Zeit wenden sich Eltern natürlich mit ihren Themen an das Kita-Personal. Deren Profession ist aber nicht Sozialarbeit. Außerdem wird den Erziehenden keine Zeit für die Eltern mit ihren steigenden, auch kinderschutzrelevanten Bedarfen im derzeitigen Kita-System eingeräumt. Also steht das Kita-Personal zunehmend zwischen der Wahrnehmung der Familien-Bedarfe und der Kinder-Betreuung – ein Gefühl der permanenten Überforderung ist nicht selten die logische Folge. Regelmäßige Kita-Sozialarbeit, berücksichtigt mit einer Sozialarbeiterstelle je größerer Kita ab 4 Gruppen und intelligenten Netzwerklösungen für kleinere Kitas würde den Eltern und dem Kita-System Entlastung schaffen und ermöglichen „ganz nebenbei“ in kinderschutzrelevanten Themen schneller agieren können.
- Berücksichtigung freier Plätze im Kita-Kostenblatt: In Berlin wird ein Kita-Platz immer dann finanziert, wenn er belegt ist. Ist er nicht belegt, erhält die Kita – egal ob öffentliche oder freie Trägerschaft – kein Geld. Kita-Plätze werden jedoch zeitverzögert über das Jahr in Anspruch genommen. Nicht zugleich mit dem Start ins neue Kitajahr erreichen alle Kinder die Kita. Die Eingewöhnung verläuft behutsam und zeitversetzt. In allen Bereichen Sozialer Arbeit ist dieser individuelle Belegungseffekt finanziell berücksichtigt, nur in der Kita braucht es eine Voll-Belegung, um die Kosten tragen zu können. Das führt zwangsläufig zu einer strukturellen Unterfinanzierung – auf Kosten der Kita-Erzieher:innen. Und zu Lasten der Familien, die etwa ab dem Winter jedes Jahres bis zum nächsten Einschulungstermin keinen Kita-Platz (mehr) finden. Das Wunsch- und Wahlrecht auf einen Kitaplatz der Familien muss aber möglich sein. Ein Kitahaushalt sollte freie Plätze finanziell auffangen können.
- Reduzierung des sogenannten Eigenanteils in der Finanzierung: Kinder brauchen 100% Aufmerksamkeit und Professionalität in der Kita. Das derzeitige System mit dem Anspruch, das Berliner Bildungsprogramm zu 100% umzusetzen, sieht aber lediglich eine 95%-Finanzierung vor. So läuft das gesamte System und jede:r einzelne Kita-Erzieher:in jeden Tag von vornherein dem Anspruch an die eigene Arbeit defizitär hinterher. Jeder einzelne Prozent-Punkt zur weiteren Absenkung des Eigenanteiles der Kita-Träger führt zur wesentlichen System-Entlastung und macht uns in Berlin ehrlicher. Die zusätzlichen Bildungsziele im neuen Bildungsprogramm und der neuen Qualitätsvereinbarung sollen durch die Träger schließlich auch zu 100% umgesetzt werden.
Streiken und Entlastungstarifverträge für landeseigene Betriebe sind keine Lösung. Struktur-Maßnahmen, die schnell zur Entlastung führen, damit Kita-Erzieher:innen den „besten Beruf der Welt“ auch wieder ausfüllen können, sollten zügig umgesetzt werden. Wir als Evangelische Träger in Berlin sind gern bereit, gemeinsam mit dem Land Berlin, auch mit den Eigenbetrieben in Berlin weiter über Lösungen nachzudenken und gemeinsame Schritte zu gehen. Denn soziale Bedarfe sind nicht verhandelbar.
Kontakt
Sebastian Peters
Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit
030 820 97 110
0173 60 333 22
Astrid Engeln
Leiterin des Arbeitsbereiches Kindertageseinrichtungen und Ganztag und Geschäftsführerin des VETK,
Fachpolitische Interessenvertretung in Berlin und Brandenburg
030 820 97 152