Selbstbestimmung? Bitte warten!
Berlin fehlen 20% der gesetzlich vorgeschriebenen Stellen in der Schwangerschaftsberatung
Nach neuesten Berechnungen der Wohlfahrtsverbände besteht in Berlin eine erhebliche Unterversorgung in der Schwangerschaftsberatung. Diese Situation entspricht nicht den Notwendigkeiten einer rasant wachsenden Metropole mit vielfältigsten Lebensmodellen. Denn in der „Schwangerenberatung“ für alle Geschlechter geht es um viel mehr als den Abbruch.
„Schwangerschaftsberatung“ kennen die meisten nur als Beratung zum Schwangerschaftsabbruch. Tatsächlich machen Fragen rund um Abbrüche nur 20 - 50 % der Beratungen aus. Das Angebot richtet sich an alle: jede Person hat einen Anspruch auf Sexualaufklärung und Beratung zu Verhütung und Familienplanung – unabhängig von Geschlecht, Alter oder sexueller Orientierung. Ein breites Aufgabenspektrum, dass auch noch wachsen wird.
Diakonie-Direktorin Dr. Ursula Schoen: „Das Credo der evangelischen Schwangerschaftskonfliktberatung heißt: ‚Mit Menschen, nicht gegen sie.‘ Sie verurteilt und bewertet nicht. Die Beratenden helfen Menschen, eine Entscheidung zu treffen und die Folgen in ihr Leben zu integrieren. In der vielfältigen Berliner Stadtgesellschaft werden Fragen rund um „Sexuelle Rechte“, „Sexuelle Identität“ und „LGBTQAI+“ immer präsenter. Hier sind ganz neue fachliche Kompetenzen für eine angemessene Begleitung gefragt. Unsere Beratenden erleben in allen diesen Themenfeldern einen hohen Leidensdruck mit teils traumatischen Erfahrungen. Wochenlange Wartezeiten sind da nicht hinnehmbar.“
Die Diakonie fordert mit allen Wohlfahrtsverbänden schon seit Jahren eine qualifizierte personelle Aufstockung. Auf 40.000 Einwohner muss mindestens eine Beratungsfachkraft kommen. Außerdem wird dringend Geld für fremdsprachliches und psychologisches Personal benötigt. Nach neuesten Berechnungen wäre das mit einem zusätzlichen Etat von ca. 4 Millionen EUR pro Jahr gut zu erreichen.
Diakonie-Direktorin Dr. Ursula Schoen: „2022 mussten die ohnehin überlasteten Beratungsstellen dutzende Ratsuchende abweisen oder auf lange Wartelisten setzen. In den unsicheren Krisenzeiten stellten sich 16% mehr Frauen als im Vorjahr die Frage nach einem Schwangerschaftsabbruch. Die angehenden Familien mussten durch komplexe Antragsverfahren für Sozialleistungen geführt werden, weil an allen Ecken das Geld fehlte. Diese Unterversorgung muss ein Ende haben. Familienplanung darf kein Synonym für Zukunftsangst sein. Unsere facettenreiche Stadt muss die fachliche und menschliche Arbeit der Beratungsstellen so unterstützen, dass es nicht mehr heißt: Selbstbestimmung? Bitte warten!“
Die Mitgliedseinrichtungen der Diakonie Berlin bieten aktuell in sechs Beratungsstellen Schwangeren(konflikt)beratung an. Neben vielfältigen Informations-, Begegnungs- und Beratungsangeboten für Frauen, liegen die Schwerpunkte der Frauen unterstützenden diakonischen Arbeit vor allem in der Hilfe und im Schutz für von Gewalt bedrohten oder betroffenen Frauen und ihren Kindern, in Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen und durch ambulante Beratung.
Berlin, 7. März 2023
Zur aktuellen Stellungnahme der Berliner Wohlfahrtsverbände
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