Orte des Ankommens – einer ist das ZuWa der SozDia Stiftung Berlin
Der Białowieża-Nationalpark im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus wird seit Monaten als Route von Geflüchteten genutzt, um in die EU zu gelangen. In der stationären Jugendeinrichtung „ZuWa – Zusammen Wachsen“ in Trägerschaft der SozDia Stifung Berlin lebt seit Ende November 2021 ein Jugendlicher, der diese Route gewählt hat. Seine Fluchtgeschichte erzählte er den Pädagog*innen bereits beim Kennenlernen und ist bereit sie zu teilen, denn über seine Erfahrungen und seine Situation zu sprechen, ist für ihn kein Tabu. (Auf die Nennung eines Namens wird hier verzichtet. Das Gespräch wurde auf Englisch geführt.)
Der seit wenigen Monaten im ZuWa lebende junge Geflüchtete berichtet davon, wie er die Situation an der belarussischen Grenze erlebt hat. Viele Leute seien gestorben, vor allem wegen des kalten Wetters und auch weil sie nichts zu essen hatten. Keine der beiden Seiten habe sich verantwortlich gefühlt und Hilfe habe es keine gegeben. Nicht einmal den Frauen und Kindern sei geholfen worden. Die Menschen seien wie Gefangene zwischen den Grenzen. Viele Leute hätten Angst, durch den Wald zu gehen, da sie nicht wissen, was passiert und ob sie wieder lebend rauskommen.
Er möchte gern einige Zeit im ZuWa – ihm zufolge seinem ersten Zuhause in Deutschland – bleiben, weil es sich für ihn familiär anfühle. Danach gefragt, wie es ihm im dort geht erwidert er: „I feel really good - how shall I say, really really good.“ (Ich fühle mich wirklich gut - wie soll ich sagen, wirklich richtig gut.) Für die Zukunft wünsche er sich ganz normal wie jeder in Deutschland leben und ein schönes Leben haben zu können.
Im ZuWa werden derzeit 10 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren aus Afghanistan, Irak, Syrien, Benin und Libanon betreut. Die jungen Menschen bringen ihre ganz individuelle Lebensgeschichte und Fluchterfahrung mit. Die in Friedenau gelegene Einrichtung – eine Wohnung der Gemeinde Zum Guten Hirten – ist für einige der Jugendlichen der erste Ankommensort in einem fremden Land. Im ZuWa kommen sie erst einmal zur Ruhe, denn nach ihrer Flucht haben sie hier die Möglichkeit, wieder durchzuatmen. Neben der Betreuung der Regelgruppe übernimmt das seit April 2018 bestehende ZuWa durch die Zunahme an jungen Geflüchteten immer häufiger auch das Clearing-Verfahren für die Heranwachsenden.
Das achtköpfige Team, bestehend aus erfahrenen und interkulturell geschulten Erzieher*innen und Sozialpädagog*innen unterstützt sie bei einer Vielzahl von organisatorischen Herausforderungen, wie z.B. der Schulanmeldung oder der Registrierung bei der Landeseinwanderungsbehörde und steht ihnen bei Terminen zur Seite. Auch die Vermittlung von Alltagskompetenzen oder die Unterstützung bei der Eingliederung in zivilgesellschaftliche Organisationen wie z. B. Vereine gehört dazu.
Die Jugendlichen erhalten Raum und Möglichkeiten um Eigenverantwortung und Selbstständigkeit zu erlernen und ein Demokratieverständnis zu entwickeln und so den eigenen Weg in das gesellschaftliche Leben zu finden.
Neben dem ZuWa betreibt die SozDia Stiftung weitere stationäre Jugendhilfeeinrichtungen für minderjährige Geflüchtete. Dazu zählen das Interkulturelle Jugendwohnhaus (IKJ) in Berlin-Lichtenberg (unweit der Rummelsburger Bucht) sowie zwei Vorclearingstellen für unbegleitete minderjährige Geflüchtete: das seit fast fünf Jahren bestehende "JoNa" in Berlin-Köpenick und die vor wenigen Wochen hinzugekommene "Lotte" in Berlin-Charlottenburg.