Offener Brief der LIGA Brandenburg: Pflegekassen sind verantwortlich für Systemversagen im Land Brandenburg
Die Kosten in der Pflege steigen seit Jahren. Lohnsteigerungen, Tariftreuegesetz, Inflation – die Gründe dürften allen Beteiligten an der Pflege wohl bewusst sein. Diese Entwicklung zwingt die Träger jeweils zeitnah und nahezu jährlich, ihre Kostensätze neu zu verhandeln. Das ist jedoch in Brandenburg aufgrund des Versagens der AOK Nordost sowie der übrigen Ersatzkassen kaum mehr möglich. Denn die Kostenträger in Brandenburg, allen voran die federführende AOK Nordost, haben bis heute nicht für notwendiges Personal gesorgt, um angemessen auf eine absehbare Verhandlungswelle zu reagieren. Schon 2021 bestand ein erheblicher Bearbeitungsstau, der ab September 2022 noch einmal deutlich anwuchs. Das Ergebnis: gesetzliche Fristen werden missachtet und Anträge warten sechs bis acht Monate, teilweise sogar länger, auf Bearbeitung.
Die Folgen sind für Träger und Einrichtungen dramatisch: Viele geraten auf Grund der über Monate nicht gedeckten Kosten in ernste Liquiditätsschwierigkeiten. Mittlerweile drohen Insolvenzen von Brandenburger Pflegeeinrichtungen und der Wegfall von Pflegeplätzen. Und das in einem Bundesland, das prozentual im Bundesvergleich den höchsten Anstieg von Pflegebedürftigen erwartet!
Zusätzlich bereiten die teils extremen Preissteigerungen für die Pflegebedürftigen selbst Sorgen. Wegen der langen Verhandlungszeiten und einer rückwirkenden Verrechnung der Kostenerstattung kommt es zu schockartigen Preissprüngen, die nicht viele Pflegebedürftigen nicht mehr stemmen können. Manche Träger verzichten deshalb darauf, die höheren Kosten in voller Höhe weiterzugeben, andere sehen sich gezwungen, Pflegesätze anzunehmen, die nicht mehr zur Deckung der Kosten ausreichen, um zumindest ihre Liquidität wiederherzustellen. All dies verschärft die wirtschaftliche Situation der Träger weiter.
Da die zuständige Schiedsstelle über Monate hinweg nicht arbeitete, war auch der Rechtsweg nicht möglich. Anfang März lagen über 30 unbearbeitete Verfahren der Schiedsstelle vor, deren Kostensatzanträge aus dem letzten Jahr trotz über achtmonatiger Verspätung noch nicht verhandelt waren. Inzwischen konnte zwar ein Teil der Anträge zurückgezogen werden, da die Kassen diese Antragsteller vorzogen und zu Abschlüssen brachten. In der Konsequenz müssen andere Träger dafür noch länger warten!
Versuche, diese untragbare Situation zu ändern, gab es zahlreiche auf Arbeits- und Führungsebene. War es früher noch üblich, Spitzengespräche zu führen und gemeinsam pragmatische Lösungen zu vereinbaren, lehnte der aktuelle AOK-Vorstand Gesprächsanfragen der Trägerverbände jedoch über Monate hinweg ab. Erst nach Einschaltung des Brandenburger Sozialministeriums kam es zu direkten Gesprächen, die am Ende jedoch ergebnislos verliefen. Die AOK Nordost räumte zwar ein, der Antragsflut nicht gewachsen zu sein, verwies aber gleichzeitig auf die Mitverantwortung der Ersatzkassen, die – fast ohne Ausnahme – kein Personal für Verhandlungen zur Verfügung stellen. Hinzu kommt: Auch konkrete Lösungsvorschläge unsererseits, wie laufende Verfahren beschleunigt und der Bearbeitungsstau verringert werden kann, werden von der AOK Nordost abgelehnt – ohne jedoch eigene Lösungsangebote zu unterbreiten.
Im Ergebnis müssen wir feststellen:
- Die Pflegekassen in Brandenburg kommen ihrer gesetzlichen Aufgabe nicht nach, sind ganz offensichtlich gewillt, die Situation auszusitzen und lehnen darüber hinaus jeden Lösungsvorschlag ab.
- Das MSGIV als kontrollierende Rechtsaufsicht sieht offenbar keine Möglichkeit, die AOK Nordost und die verantwortlichen Ersatzkassen zum Handeln zu bewegen.
- Die zuständige Schiedsstelle ist nach Monaten der Untätigkeit wieder arbeitsfähig und hat jetzt mit erheblicher Zeitverzögerung Verhandlungen anberaumt. Es ist zu erwarten, dass die Schiedsstelle mit einer Flut weiterer Anträge zu kämpfen haben wird.
- Das Ergebnis aus Verantwortungs- und Machtlosigkeit der zentralen Säulen in der Regelung der Pflege inBrandenburg ist ein nicht für möglich gehaltenes Systemversagen!
Das Steuerungsversagen der Brandenburger Pflegekassen unter der Federführung der AOK Nordost und der daraus resultierende Bearbeitungsstau stürzt die Pflege in Brandenburg in eine nie dagewesene, dramatische Situation! Insolvenzen oder die Schließung von Einrichtungen und Diensten können wir nicht mehr ausschließen. Wir fordern alle hier angeschrieben Personen auf, sich unmittelbar und persönlich auf Spitzenebene für zügige Lösungen einzusetzen! Ein Nicht-Handeln führt unweigerlich dazu, immer mehr Pflegebedürftige in Brandenburg zukünftig nicht mehr versorgen zu können.