Sozialarbeit und Praxisanleitung – gemeinsam stark an den Lazarus-Schulen
06.10.2025
Sozialarbeit und Praxisanleitung – gemeinsam stark für internationale Auszubildende an den Lazarus-Schulen
Unter dem Dach der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal wird gepflegt, geheilt, gelehrt, gearbeitet – und gebetet. Neben bekannten Tätigkeitsfeldern wie Pflege, Teilhabe oder Hospiz gibt es auch weniger sichtbare, aber ebenso bedeutende Aufgaben: Plakate auf Toiletten helfen in Krisen, Gespräche bauen Brücken, und manchmal entsteht das Gefühl, mitten in einem modernen "Nathan der Weise" zu leben.
Die Lazarus-Schulen: international
Anja Bosse und Antje Bauerschäfer-Jahn arbeiten seit über zwei Jahren als Schulsozialarbeiterinnen an den Lazarus-Schulen in Berlin-Mitte. Ein Schwerpunkt ist, junge Menschen aus dem Ausland zu begleiten, die hier ihre Ausbildung in der Pflege beginnen.
Aktuell lernen und arbeiten Menschen aus über 50 verschiedenen Nationen am Standort Lazarus. In manchen Klassen haben bis zu drei Viertel der Auszubildenden einen internationalen Hintergrund. Ein Teil kam als Geflüchtete, andere über Vermittlungsprogramme oder haben bereits ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Ziel der Schulsozialarbeit ist es, diese jungen Menschen beim Ankommen zu unterstützen – sprachlich, sozial und emotional.
Die Sprache lernen: höchste Priorität
Anja Bosse beschreibt einen Widerspruch, den viele Auszubildende zu Beginn ihrer Pflegeausbildung betrifft: „Einerseits sind die Zugangsvoraussetzungen gering, andererseits ist die Ausbildung komplex und fachlich sowie sprachlich sehr anspruchsvoll." Deshalb steht das Erlernen der deutschen Sprache ganz oben auf der Liste der Herausforderungen. Die Schulsozialarbeiterinnen organisieren Sprachkurse an der Schule, die über das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration finanziert werden. Sie vermitteln Onlinetrainings sowie Sprachcafés und Sprachtandems.
Wohnungssuche mit Hindernissen
Die Wohnungssuche ist in Berlin generell schwierig, für Auszubildende jedoch besonders herausfordernd. Viele von ihnen sind als People of Color sichtbar oder verfügen nur über geringe finanzielle Mittel. Damit sind sie auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt doppelt benachteiligt. Häufig geraten sie an unseriöse Angebote und werden unter Druck gesetzt. Deshalb geben die beiden Schulsozialarbeiterinnen Hinweise wie: Niemals Zahlungen in bar leisten weder für Miete noch für Kaution.
Auch wenn die Schulsozialarbeit keine Wohnungen vermitteln oder die Suche begleiten können, leisten sie wichtige Unterstützung. Sie helfen bei der Beantragung notwendiger Unterlagen wie Schufa-Auskunft oder Wohnberechtigungsschein und geben Orientierung bei der Wohnungssuche.
Kein Fremdkörper: Glaube und Kultur
Viele Auszubildende erleben, dass ihr Glaube auch in einem neuen kulturellen Umfeld respektiert wird, selbst wenn das religiöse Leben hier ganz anders aussieht als in ihrer Heimat. An den Lazarus-Schulen gibt es Rückzugsräume, in denen persönliche Rituale und Gebet möglich sind. Gebetsteppiche liegen beispielsweise bereit.
Darüber hinaus helfen die Schulsozialarbeiterinnen beim Aufbau von sozialen Kontakten und vermitteln in unterstützende Netzwerke. Dazu gehören etwa das „Netzwerk Vietnam Gesundheit“, das Projekt „Kulturbuddys“ von youngcaritas, „Pflege in Not“ oder verschiedene Mentoringprogramme gegen Einsamkeit.
Um auch Auszubildende zu erreichen, die Hemmungen haben, direkt um Hilfe zu bitten, setzen sie auf niedrigschwellige Informationen. Ein Beispiel sind die Plakate in den Schultoiletten: Mit Symbolen und QR-Codes verweisen sie auf Anlaufstellen für unterschiedliche Problemlagen. Niemand muss öffentlich machen, dass er oder sie nach Hilfe und Unterstützung fragt.
Drei Wünsche für bessere Startbedingungen
Wenn es um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für internationale Auszubildende geht, stehen drei Wünsche ganz oben: An erster Stelle steht der Wunsch nach günstigem Wohnraum. Ein Azubi-Wohnheim direkt auf dem Lazarus-Campus wäre großartig, auch weil es ein sicherer Ort zum Ankommen wäre und Gemeinschaft ermöglicht. So könnten Auszubildende besser Fuß fassen und langfristig in der Ausbildung bleiben.
Zweitens braucht es politische Lösungen, damit auch Auszubildende mit einem Aufenthaltstitel nach § 16a Aufenthaltsgesetzt besseren Zugang zu Sozialleistungen erhalten. Das Ausbildungsgehalt reicht leider überhaupt nicht mehr aus, um die Lebenshaltungskosten, insbesondere die Berliner Wohnungsmieten, zu decken.
Drittens sollte die Einreise nicht erst zum offiziellen Ausbildungsbeginn erfolgen, sondern deutlich früher. Gut wäre mindestens drei bis sechs Monate vorher. So hätten die Auszubildenden Zeit, sich sprachlich, organisatorisch und kulturell besser vorzubereiten.
Ein Blick in die Praxis der Auszubildenden
In der praktischen Pflege treffen wir Diakonin Dr. Anne Weihe. Sie koordiniert die Pflegeausbildung in der stationären Pflege auf dem Lazarus Campus, arbeitet als Scharnierstelle zwischen den Auszubildenden und deren Arbeitsorten in den Wohnbereichen.
Für sie sind Wohnungs-, Geld- und Sprachprobleme der Auszubildenden auf dem Lazarus-Campus ebenfalls das tägliche Brot. „Von Wohnungen, hier direkt bei Lazarus, wenn auch nur für eine Übergangszeit, wage ich kaum zu träumen“, sagt sie. Dennoch: Für sie wäre die Möglichkeit für junge Menschen, hier im Schatten des ehemaligen Mauerstreifens nicht nur zu lernen und zu arbeiten, sondern auch zu leben, eine Fortsetzung der am Ort einst durch die Diakonissinnen begründeten Tradition. Eine Vision, die sie nicht aufgibt.
Sprachkenntnisse muss man sehr ernst nehmen
Ebenso international wie die Teilnehmerenden in der Pflegeschulausbildung zeigt sich auch der Nachwuchs, den die Stiftung hier in und für eigene Einrichtungen heranbildet: Aktuell 20 Frauen und Männer aus 16 verschiedenen Ländern.
Eine wichtige Erfahrung der jüngsten Zeit: Ein laxer Umgang mit sprachlichen Schwierigkeiten bringt nichts. Das ist Dr. Anne Weihe klar: „Wir müssen nach relativ kurzer Zeit einschätzen, wer in der Lage ist, sich im deutschen Pflegealltag auch ausreichend in der Schriftsprache zu beweisen, und wer das eben nicht kann. Es hilft nicht, über Schwierigkeiten hinwegzusehen, die in durchgefallenen Prüfungsklausuren und in Frustration münden.“ Eine Möglichkeit, dem zu begegnen ist, von der ursprünglichen Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann auf die kürzere und weniger schriftlastige Form der Fachassistenz zu wechseln. Zumal man nach einiger Zeit und weiterer sprachlicher Erfahrung einen erneuten Anlauf zum Fachberuf machen kann.
Aufeinander einlassen
Dr. Anna Weihe sieht ihre Aufgabe bei solchen Beratungen, den Azubis den Rücken zu stärken, mit ihnen zu beraten, wie und mit wem man das eine oder andere Problem lösen kann. „Ich gehe mit ihnen nicht zu Ämtern und Behörden, aber ich stärke ihr Selbstbewusstsein, dass sie das selber können“, ist einer ihrer Grundsätze.
Gespräche, sich immer wieder auf die Einzelne oder den Einzelnen einlassen, sich Zeit geben, füreinander da sein, zuhören und verstehen – das macht ihre Arbeit aus. Hinzu kommen feste Termine im Jahreskalender, die den jungen Menschen Hilfe und Unterstützung im Arbeitsalltag geben. Zum Beispiel das alljährliche Willkommensfest, eine Party ohne große Reden, der monatliche Azubi-Treff an jedem ersten Freitag, aber auch die so genannte „Heilsame Unterbrechung“, ein rund zwanzigminütiges Zusammensein Interessierter in der Kapelle an jedem Mittwoch ab 13.05 Uhr. Gemeinsam mit Paul Pomrehn, Mitarbeiter im stationären Hospiz, bereitet sie diese mit kleinen Texten vor und ist selbst immer wieder überrascht, wie die Veranstaltung von den Azubis mitbestritten wird – egal, ob eine Vietnamesin ein Kochrezept weitergibt oder ein indischer Christ in seiner Landessprache für alle betet. „Wenn ich dort Seite an Seite mit einer Muslima und einer Buddhistin sitze, mich über Fragen austausche, die über die eigene Religion hinausgehen, dann fühle ich mich fast wie in Lessings „Nathan der Weise“ versetzt.“
Aller drei bis vier Monate organisiert sie gemeinsam mit Thomas Altmeppen, Rechtsdozent der Lazarus Pflegeschulen, Veranstaltungen im Rahmen des Azubi-Gewaltschutz-Programmes. Hier werden oft anonymisierte Fallbeispiele durchgegangen, die helfen sollen, die Hemmschwelle im offensiven Umgang mit Gewalt in der Pflege zu senken, dem oder der einzelnen bewusst zu machen, dass diese in jedem Fall zur Anzeige gebracht werden sollen. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe besucht man regelmäßig das Landeskriminalamt und den Verein „Pflege in Not“.
Pflege als starke Quelle
Dr. Anna Weihe lebt ihre Arbeit, ist dafür dankbar, dass es so eine Stelle wie ihre in der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal gibt. Wo man zuhören kann, sich dafür interessiert, was andere glauben. „Es ist mir gleich, ob mein Gesprächspartner Christ oder Moslem ist, wenn wir uns über den Pflegeberuf austauschen. Das ist doch das natürlichste, menschlichste und unmittelbarste, was es auf der Erde gibt: Helfen, Zusammenstehen. Eine ursprüngliche, starke Quelle.“
Hand in Hand erfolgreich
Gelingende Pflegeausbildung am Lazarus Campus braucht gute Unterrichtskonzepte und ein starkes Zusammenspiel von Schulsozialarbeit, dem gesamten Team der Pflegeschule und der Praxisanleitung. Wo Schulsozialarbeiterinnen Brücken bauen und für soziale wie sprachliche Unterstützung sorgen, gestalten Praxisanleitende ein lernförderndes Umfeld im Berufsalltag.
So entsteht ein besonderer Ort, an dem junge Menschen aus aller Welt gemeinsam wachsen. Am Ende gehen sie nicht nur als Pflegefachkräfte in die Zukunft, sondern auch als gestärkte Persönlichkeiten.
Wolfgang Kern