Hilfe für Frauen in Not – Bundespräsident besucht Wohn- und Beratungshaus für wohnungslose Frauen
Alleinstehende Frauen, mit und ohne Kinder, sind zunehmend von Wohnungslosigkeit bedroht.Um sich über die Situation betroffener Frauen zu informieren, besuchen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gemeinsam mit Diakonie-Präsident Ulrich Lilie und DWBO-Direktorin Dr. Ursula Schoen am 17. Dezember 2021 das Wohn- und Beratungshaus für Frauen in Not in Berlin-Mitte.
– Alleinstehende Frauen, mit und ohne Kinder, sind zunehmend von Wohnungslosigkeit bedroht. Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, deren Mitglied die Diakonie ist, sind etwa ein Viertel der wohnungslosen Menschen in Deutschland weiblich. Herkömmliche Einrichtungen für wohnungslose Menschen sind in der Regel aber nicht auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten. Dort fehlen oft Rückzugsmöglichkeiten und Schutz vor Übergriffen. In Notübernachtungen ist zudem ein Aufenthalt tagsüber in der Regel nicht möglich.
Um sich über die Situation betroffener Frauen zu informieren, besuchen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender gemeinsam mit Diakonie-Präsident Ulrich Lilie und der Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Dr. Ursula Schoen, am Freitag das Wohn- und Beratungshaus für Frauen in Not in Berlin-Mitte. Im Hinterhaus eröffnete 2003 die diakonische GEBEWO pro GmbH die erste Berliner Notübernachtung speziell für Frauen. Im 2019 eröffneten Wohn- und Beratungshaus im Vorderhaus bieten das Diakonische Werk Berlin Stadtmitte und die Koepjohann’sche Stiftung die Möglichkeit, Frauen zu beherbergen und auf ihrem Weg aus der Wohnungslosigkeit zu betreuen und zu begleiten.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: „Wohnungslose Frauen leben angepasster als wohnungslose Männer, ihre Wohnungslosigkeit bleibt häufig im Verborgenen. Dabei sind gerade Frauen, die auf der Straße leben, besonders schutzbedürftig. Sie bemühen sich, im öffentlichen Raum wenig aufzufallen und eine Übernachtung im Freien zu vermeiden. Deswegen gehen sie nicht selten Zweckpartnerschaften ein und es entstehen manchmal bedrückende Abhängigkeitsverhältnisse mit meist männlichen Wohnungsinhabern. Umso wichtiger ist es, dass es spezielle Angebote für Frauen gibt, die ihnen Schutz und professionelle Unterstützung bieten, damit sie den Weg zurück in ein Leben mit eigener Wohnung finden können. Frauen und Kinder brauchen unsere volle Solidarität. Staat und Gesellschaft sind in der Pflicht, die bestmögliche Hilfe zu leisten, damit wohnungslose Frauen aus der Not herausfinden und eine echte Zukunftsperspektive erhalten.“
„Dass Frauen Schutzräume und geschlechtsspezifische Angebote benötigen, haben unsere diakonischen Träger frühzeitig erkannt und unter anderem 2003 die erste reine Frauennotunterkunft in der Tieckstraße 17 in Berlin-Mitte eröffnet. Leider hat sich seit fast 20 Jahren die Situation für wohnungslose Frauen in Berlin kontinuierlich verschlechtert: Durch die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt verlieren immer mehr Frauen und ganze Familien ihr Zuhause, landen in Wohnheimen oder auf der Straße. In Einrichtungen wie dem Wohn- und Beratungshaus in der Tieckstraße finden Frauen mit und ohne Kinder einen geschützten Raum und Unterstützung für einen Neuanfang. Wohnungslose Frauen sind kein Randproblem. Wir schätzen, dass ein Drittel bis ein Viertel der wohnungslosen Menschen in Berlin Frauen sind. Die neue Berliner Landesregierung ist gefordert, spezifische Angebote zu unterstützen und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen", sagt Dr. Ursula Schoen, Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg.
Wohnungslosigkeit ist eng verknüpft mit einem Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Daher setzen sich die Diakonie und der Evangelische Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe (EBET) für einen deutlichen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus und für feste Versorgungsquoten für wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen ein. „Wohnungslose Menschen müssen mit eigenem Wohnraum versorgt werden. Sowohl der Berliner Senat als auch die neue Bundesregierung haben das Ziel formuliert, Obdachlosigkeit bis 2030 abzuschaffen. Das darf nicht nur ein Ziel im Koalitionsvertrag sein, sondern es muss auch erreicht werden“, so Lilie und Schoen. Auch müssten Hilfen für Frauen in Wohnungsnot flächendeckend zur Verfügung stehen. Nötig seien vor allem niedrigschwellige Informations- und Beratungsangebote für Frauen in verdeckter Wohnungslosigkeit sowie insbesondere für junge Frauen und Mädchen in schwierigen Wohnverhältnissen.
Die Diakonie ist mit rund 800 Angeboten der größte deutsche Anbieter in der Wohnungsnotfallhilfe. Sie bietet für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen Hilfe- und Beratungsangebote an, zum Beispiel Fachberatungsstellen, Tagesaufenthalte, stationäre Einrichtungen und Notunterkünfte.
Hintergrund:
Bisher gibt es noch keine belastbare Statistik zu Wohnungslosigkeit in Deutschland. Die Einführung einer Wohnungslosenberichterstattung sowie einer Statistik untergebrachter wohnungsloser Personen wurde mittlerweile jedoch beschlossen. Eine erste Erhebung, die Auskunft über in Gemeinschafts- oder Notunterkünften untergebrachte wohnungslose Menschen geben soll, soll am 31. Januar 2022 durch das Statistische Bundesamt durchgeführt werden.
Laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) waren im Jahr 2018 insgesamt 218.000 erwachsene Personen wohnungslos, wobei hier nicht die wohnungslosen Geflüchteten berücksichtigt sind. 159.000 davon waren Männer und 59.000 Frauen. Somit lag der Anteil der erwachsenen wohnungslosen Männer bei 73 Prozent, der Frauenanteil bei 27 Prozent. Der Frauenanteil hat sich insgesamt in den vergangenen 20 Jahren nahezu verdoppelt. Auch immer mehr Haushalte mit minderjährigen Kindern suchen Hilfe in den Einrichtungen und Diensten der Wohnungslosenhilfe. Fast die Hälfte der Hilfesuchenden in Haushalten mit minderjährigen Kindern sind alleinerziehende Frauen.