Halbgares für Berlin: Wohlfahrtsverbände kritisieren Regierungserklärung
Die Freie Wohlfahrtspflege ist mit 1.200 Initiativen und Trägern sowie 107.000 hauptamtlichen und 53.000 ehrenamtlichen Mitarbeitenden größter Anbieter sozialer Hilfen. Nach der Regierungserklärung der Berliner Koalition machen die Verbände deutlich: Ohne konkrete Maßnahmen ist die Unterstützung für Berlinerinnen und Berliner in sozialen und gesundheitlichen Notlagen in Gefahr.
Die zivilgesellschaftlichen, gemeinnützigen Wohlfahrtsorganisationen von Kita bis Krankenhaus sind frei von Profitstreben. Ihre einzige Verpflichtung ist der nachhaltige soziale Zusammenhalt.
Andrea U. Asch, LIGA-Federführung und Diakonie-Vorständin: „Eine krisenfeste soziale Infrastruktur geht nur Hand in Hand mit den Wohlfahrtsverbänden. Wir begrüßen, dass der Regierende Bürgermeister in seiner Erklärung die wichtige Rolle der Freien Wohlfahrtspflege anerkennt. Die Ideen der Koalition für ein soziales Berlin sind durchaus erkennbar. Das dürfen aber keine Lippenbekenntnisse bleiben. Im Koalitionsvertrag fehlten schon konkrete Maßnahmen zur Beteiligung und Stärkung unserer Träger und Initiativen. Die Regierungserklärung hat diesen Trend bestätigt.“
Die Ungleichbehandlung der vergangenen Jahre setzt sich fort: Die Wohlfahrtsverbände übernehmen zentrale sozialstaatliche Aufgaben, ziehen aber weiterhin den Kürzeren bei wichtigen Investitionen in Gebäude und Mitarbeitende. Während beispielsweise das Gehalt der staatlichen Kita-Beschäftigten durch eine Hauptstadtzulage aufgestockt wird, sind freie Träger für Lohnsteigerungen auf die Gnade der Verwaltung angewiesen.
Kolleginnen und Kollegen in öffentlichen Einrichtungen und bei Trägern der Freien Wohlfahrtspflege leisten in der sozialen Arbeit Großartiges für Berlin. Deshalb fordern die Wohlfahrtsverbände die Gleichbehandlung ihrer Mitarbeitenden auch bei der Entlohnung. Es kann nicht sein, dass der Senat seine Angestellten bevorzugt und mit Steuergeldern, die von allen gezahlt werden, den eigenen Mitarbeitenden eine bessere Vergütung ermöglicht. Die Freie Wohlfahrtspflege braucht eine tarifliche Vergütung auf dem gleichen Niveau wie im öffentlichen Dienst. Das Land Berlin muss deshalb eine angemessene Refinanzierung sicherstellen.
Es sieht so aus, als müssten die freien Träger dauerhaft diese finanzielle Lücke aus eigenen Mitteln schließen. Das kann den Kollaps für das Sozialsystem unserer Hauptstadt bedeuten. So mussten trotz hoch gesteckter Ziele des Jugendgipfels schon die ersten Jugendclubs schließen, die pflegerische Versorgungssicherheit ist nach aktuellen Umfragen nachhaltig gefährdet, Kliniken geraten in eine erhebliche finanzielle Schieflage.
In den Ankündigungen zur Arbeitsmarktpolitik wird deutlich: Der Senat hat offensichtlich nicht erkannt, dass durch den Fachkräftemangel die Zukunftsfähigkeit unserer sozialen Infrastruktur auf dem Spiel steht. Bis zum Jahr 2030 scheidet voraussichtlich ein Drittel des Personals der öffentlichen und freien Träger aus dem Berufsleben aus. Das wird den aktuellen, eklatanten Fachkräftemangel durch einen faktischen Arbeitskräftemangel erheblich verstärken. Alte Fehler müssten jetzt korrigiert und gute Arbeitsbedingungen mit fairen Gehältern sowie angemessener Wertschätzung geschaffen werden. Gleichzeitig fehlt der dringend notwendige Spurwechsel in Richtung Einwanderungsstadt Berlin: Eine rasche Erweiterung von Arbeitsmarktzugängen für bereits hier lebenden Menschen mit Migrationsgeschichte und für internationale Fach,- und Arbeitskräfte ist notwendig.
Andrea U. Asch, LIGA-Federführung und Diakonie-Vorständin: „Als größter Anbieter sozialer Hilfen in der Stadt sagen wir: Es braucht eine Landesstrategie, einen gemeinsamen Fahrplan zur Fachkräftesicherung mit dem der Komplexität der Aufgabe Rechnung getragen wird. Die Gefahr ist groß, dass soziale Dienstleistungen für Berlinerinnen und Berliner nach und nach wegbrechen. Das dürfen wir nicht zulassen. Dafür bieten die Wohlfahrtsverbände der Regierungskoalition weiterhin ihre fachliche Expertise für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit an.“
Hintergrund
LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege
In der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege haben sich in Berlin das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Federführung 2023/24), der Caritasverband für das Erzbistum Berlin, die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Landesverband Berlin, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin, der DRK Landesverband Berliner Rotes Kreuz sowie die Jüdische Gemeinde zu Berlin zusammengeschlossen. In den sozialen Einrichtungen, Diensten und Projekten der LIGA sind in Berlin rund 107.000 hauptamtliche und etwa 53.000 ehrenamtliche Mitarbeitende tätig. Rund 150.000 Menschen sind zusätzlich persönliche Mitglieder in den Verbänden der LIGA Berlin, die wiederum ca. 1.200 Initiativen und Träger vertreten.
Sebastian Peters
Pressesprecher LIGA Berlin/Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
030 820 97 110
0173 60 333 22