„Für Christus habe ich gelebt. Für Christus will ich sterben.“ Die Glocke im Naemi-Wilke-Stift
Am 20. Juli jährte sich zum 80. Mal die Erinnerung an das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler. Claus Schenk Graf von Stauffenberg hatte in der Wolfsschanze in Ostpreußen eine Bombe gezündet. Wir alle wissen, wie dieses lebensgefährliche Attentat für die Widerständler des 20. Juli ausgegangen ist.
Ohne die über 200 Mitverschwörer hätte dieses Attentat nicht stattfinden können. Viele von ihnen sind kurz nach dem Attentat als Hochverräter ermordet worden. Was damals Hochverrat war, gilt heute als Widerstand gegen den Terror des Regimes um Adolf Hitler. Viele von ihnen haben auch aus ihrer Verantwortung vor Gott gehandelt und ihr Lebensopfer als Zeichen ihres Glaubens an Gott verstanden. Bis heute allerdings fehlt diesen Männern ein Denkmal im öffentlichen Raum.
Was viele nicht wissen, ist, dass es neben den deutschen Widerständlern auch einige einsame Menschen in Österreich gegeben hat. Zu ihnen gehört der Landwirt und
Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter (1907-1943) oder die Ordensfrau Sr. Maria Restituta Kafka (1894-1943).
Geboren als Helene Kafka in Hussowitz bei Brünn ist sie mit 19 Jahren in den Orden der Hartmannschwestern eingetreten und bekam den Ordensnamen Sr. Maria Restituta Kafka. Sie arbeitete im OP des Mödlinger Krankenhauses in Wien.
Schwester „Resoluta“ wurde die kompetente OP-Schwester liebevoll genannt. 1938 war der Anschluss Österreichs an das „Reich“ erfolgt. Die Diktatur des Nazi-Regimes erfasste alle Bereiche des Lebens. Sr. Maria Restituta weigerte sich, Kruzifixe aus Patientenzimmern zu entfernen und behandelte alle Patienten gleich, ob Österreicher oder Juden. Sie verfasste ein regimekritisches Spottgedicht und wurde durch einen NS-Arzt denunziert. Ihre Verhaftung erfolgte 1942 direkt aus dem OP heraus. Die „Närrische“ – wie Hitler sie nannte – , wurde nach einem Gerichtsurteil im Wiener Landgericht am 30.05.1943 enthauptet. Papst Johannes Paul II. hat sie 1998 in Wien selig gesprochen.
2003 hat der damalige Diakoniedirekter der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) Pfr. Armin Zielke beim 125. Jahresfest des Naemi-Wilke-Stiftes eine Glocke in Stiftsgelände geweiht. Glocke und Glockenstuhl hat die Stiftung von der Traditionsfirma Perner aus Passau erworben. Wir wussten, dass wir eine Glocke erworben hatten, die bereits in der Glockengießerei vorhanden war. Was wir aber erst seit Kurzem wissen, ist, dass die verwendete Glocke für das Stift einst gegossen worden war für Sr. Maria Restituta Kafka. Deshalb prangt auf ihr auch ihr Lebensmotto: „Für Christus habe ich gelebt. Für Christus will ich sterben.“
So hat das Stift seit 2003 die Glocke einer Märtyrerin. Zugleich ist die Glocke auch ein akustisches Symbol für die unfreiwilligen Opfer junger Frauen und Kinder, die aus dem Stift 1940 im Euthanasieprogramm ermordet worden. Zu ihrem Gedenken hat das Stift 2006 10 Stolpersteine verlegen lassen. Im gleichen Jahr hat der Kölner Künstler Gunter Demnig auch vor dem Krankenhaus in Mödlingen einen Stolperstein für Sr. Maria Restituta Kafka verlegt.
(Stefan Süß, Rektor i.R. – 09.07.2024)