VETK veröffentlicht Forderungspapier »Perspektiven vorschulischer Bildung«
Die desolaten Ergebnisse Berliner und Brandenburger Schüler:innen in nationalen Vergleichsuntersuchungen führen zu regen Debatten, wie die Bildungsqualität in Kita, Schule und Ausbildung verbessert werden kann. Große Einigkeit besteht darüber, dass Kindertagesstätten einen besonderen Beitrag leisten, indem sie den Übergang von den familiären Lernprozessen der Kinder in schulische Lernkontexte vorbereiten und helfen, den Übergang in gesellschaftliche Handlungsfelder anzubahnen. Wie die Erziehungs- und Bildungsqualität am Übergang verbessert werden kann, dazu gibt es unterschiedliche Positionen und Vorschläge.
Seine Position macht der VETK nun in einem Forderungspapier deutlich: »Dem VETK ist es ein wichtiges Anliegen, den eigenen Bildungsauftrag von Kindertagesstätten hervorzuheben. Anforderungen an das pädagogische Handeln und die Qualität vorschulischer Bildung dürfen nicht nur von außen, vorrangig von der Schule, an Kitas herangetragen werden.«, heißt es darin. Die vier Forderungen sollen der Stärkung der pädagogischen Qualität in Kitas dienen:
1. Praxisinstrumente müssen auf ihre Wirksamkeit und Praktikabilität überprüft werden
Wir fordern: Werden neue Instrumente und Maßnahmen in Kitas verbindlich eingeführt, so müssen diese umfassend evaluiert werden – sowohl hinsichtlich ihrer Wirksamkeit als auch der Umsetzbarkeit in der Praxis. Es müssen die notwenigen Voraussetzungen für eine gelingende Einführung geschaffen werden, etwa umfangreiche Weiterbildungsangebote für die Kitateams.
2. Planung, Reflexion und Qualifizierung braucht gesicherte Zeiten
Wir fordern: Der Personalschlüssel muss mittelbare pädagogische Arbeitszeit ausreichend berücksichtigen. Dazu ist mindestens ein Viertel zusätzliches pädagogisches Personal erforderlich. Den Einrichtungen sollen bis zu fünf weitere Schließtage pro Jahr gestattet werden, die für die Qualifizierung der Mitarbeitenden genutzt werden.
3. Pädagogische Professionalität sichern
Wir fordern: In der Erzieher:innen-Ausbildung müssen pädagogische und didaktische Inhalte eine größere Rolle spielen. Zudem sollen die Länder die Entwicklung und Umsetzung von Konzepten der multiprofessionellen Zusammenarbeit in Kitas unterstützen.
4. Kitas können Familien stärken
Wir fordern: Kita-Sozialarbeit muss erweitert und ausgebaut werden hin zu einem Angebot mit gesicherter Finanzierung und Qualitätsstandards. Möglich wäre eine Finanzierung über die Neugestaltung des Kita-Zuschlagssystems.
Ausgangspukt für die aktuelle Debatte um vorschulische Bildung waren Empfehlungen der Qualitätskommission für Schulqualität in Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Olaf Köller vom Leibnitz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik. Die Qualitätskommission hatte im Auftrag des Berliner Senats 2019/20 die Lehr- und Lernprozesse in Schulen und Kitas untersucht. Die Handlungsempfehlungen für den frühkindlichen Bereich führten bereits zu ersten Maßnahmen wie der Entwicklung des neuen Beobachtungsverfahrens »BeoKiz« und der Erarbeitung von Toolboxen für die Fachkräfte. Aus Sicht der frühen Bildung ist es jedoch zu kurz gedacht, pädagogisches Handeln in Kindertagesstätten in erster Linie auf die Schulvorbereitung und die Entwicklung sogenannter Vorläuferfähigkeiten auszurichten. Der VETK hat daher eine wissenschaftsbasierte Stellungnahme in Auftrag gegeben, die – ausgehend von dem spezifischen Erziehungs- und Bildungsauftrag der Kitas – weitere Empfehlungen zur Entwicklung der Kita-Praxis herausstellt. Erstellt haben diese für den VETK Prof. Dr. Dietrich Benner, emeritierter Professor der Humboldt-Universität Berlin, und Dr. Sandra Piper, Fachberaterin im Kirchenkreis Reinickendorf. Diese Stellungnahme hat den VETK-Vorstand zur Formulierung seines Forderungspapiers veranlasst, mit dem er den Blick einmal mehr auf die Qualität der Kindertagesstätten richtet.
Als Auftakt für eine breit angelegte Debatte um den Bildungsauftrag von Kindertagesstätten lud der VETK am 27. April zu einer Podiumsdiskussion auf dem Evangelischen Campus Daniel in Berlin-Wilmersdorf. Gut 50 Gäste aus Bildungsverwaltung und Wissenschaft, Vertreter:innen von Kitaträgern und aus der Praxis folgten der Diskussion. Prof. Dietrich Benner und Dr. Sandra Piper stellten ihre Stellungnahme vor, in der sie aufzeigen, dass zahlreichen pädagogischen Fachkräften die didaktischen Kompetenzen fehlen, um ihren Erziehungsauftrag in allen Bildungsbereichen angemessen ausführen zu können. Sie empfahlen, in den Bildungsplänen pädagogische Praktiken stärker zu berücksichtigen und die fachschulische Ausbildung zu reformieren.
Einig waren sich alle Podiumsgäste dahingehend, dass Lernen in der Kita alltagsintegriert ablaufen soll. »Wir fordern nicht Deutsch- und Matheunterricht in 45-minütigen Einheiten.«, betont Prof. Olaf Köller. Kontroversen gab es zum Ausbildungs- und Unterstützungsbedarf der pädagogischen Fachkräfte. Prof. Frauke Hildebrandt von der Fachhochschule Potsdam meinte dazu: »Was eine gute Kita ausmacht, ist die pädagogische Prozessqualität. Diese Kompetenz muss und kann man üben.« Für den neuen Brandenburger Bildungsplan setzt sie als Autorin daher auf eine detaillierte Analyse von Alltagssituationen hinsichtlich ihres Bildungsgehalts und entsprechende Handlungsempfehlungen für die Pädagog:innen. Dieser Ansatz könnte der Kitapraxis entgegenkommen. Jana Hecker, Leiterin der Kita der Evangeliumsgemeinde in Reinickendorf wünscht sich mehr Anleitung für die Gestaltung von Bildungsangeboten. Worauf niemand der Diskutierenden derzeit eine Antwort geben kann, ist, ob und wie es Kitas gelingen kann, die familiär bedingten Entwicklungsunterschiede von Kindern zu kompensieren und damit zur Angleichung von Startchancen beizutragen.
Die Podiumsdiskussion soll eher ein Start- als ein Endpunkt der Debatten sein. Einige der aufgeworfenen Fragestellungen lohnt es zu vertiefen. Wir freuen uns auf die weiterführenden Gespräche mit unseren Mitgliedern und Interessierten.
Download
Kontakt

Svenja Gottschling (Kommissarische Leiterin des Arbeitsbereiches Kindertagesstätten und Ganztag)
Referentin für Finanzierung Kita und Ganztag, Fachberatung und fachpolitische Interessensvertretung in Brandenburg und Berlin
030 820 97 323