Durch Zwangskollektivierung zur Staatsmedizin
Die Johannesstift Diakonie lehnt die Vorschläge der Kommission des Bundesgesundheitsministers zur Reform der Krankenhausvergütung ab.
Wir befürchten:
- eine massive Unterversorgung von Patient*innen; nicht nur in ländlichen Gebieten
- der „planwirtschaftliche Ansatz“ führt zu längeren Wartezeiten, und fortwährender Triage-Situation
- die Zerstörung bewährter und funktionierender Krankenhausstrukturen, die auf Trägervielfalt basieren
- die Vernichtung kleiner und mittlerer Krankenhäuser, obwohl diese einen wichtigen und wesentlichen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung leisten
- massive Verschlechterung der Möglichkeiten zur Ausbildung junger Ärzt*innen
- eine deutliche Unzufriedenheit innerhalb einer unterversorgten Bevölkerung; so, wie es aktuell in Dänemark zu beobachten ist
Durch Zwangskollektivierung zur Staatsmedizin nach dänischem Vorbild
Die Johannesstift Diakonie lehnt die Vorschläge der Kommission des Bundesgesundheitsministers zur Reform der Krankenhausvergütung als realitätsfern und gefährlich ab.
Bestimmend sollen in der von der Kommission ausgemalten Krankenhauslandschaft die Großkrankenhäuser sein (Level III Häuser genannt). Diese sollen zukünftig das gesamte Spektrum an medizinischen Leistungen erbringen dürfen.
Mittlere (Level II) und erst recht kleinere Krankenhäuser (Level I) hingegen dürfen Leistungen bestimmter Leistungsgruppen nicht mehr erbringen – unabhängig davon, ob sie die Strukturanforderungen für diese Leistungsgruppen erfüllen oder nicht. Es spielt auch keine Rolle, ob sie diese Leistungen bisher in großer Zahl und hoher Qualität erbracht haben.
Für die kleineren und mittleren Krankenhäuser fallen damit die bisherigen Fallpauschalen-Erlöse aus diesen Leistungen weg. Einnahmen durch „Vorhaltung“ dieser Leistungen können ebenso nicht erzielt werden, da diese Leistungsgruppen von den kleineren und mittleren Krankenhäusern nicht vorgehalten werden dürfen. Für diesen massiven Rückgang der Einnahmen sieht das Konzept keine Kompensation vor.
Damit kommen die kleinen und mittleren Krankenhäuser zwangsläufig in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Das ist offensichtlich gewollt. Denn ausdrückliches Ziel des Konzeptes ist es, den Wettbewerb im Gesundheitswesen zu verringern. Weniger Krankenhäuser bedeutet weniger Wettbewerb. Es bedeutet aber auch weniger Angebot für die Patient*innen. Weniger Angebot bedeutet lange Wartezeiten und fortwährende Triage-Situationen. Die schlimmen Verhältnisse der Corona-Krise werden im Sinne einer planwirtschaftlichen Ideologie zum Dauerzustand gemacht.
Eine vollständige Ausbildung junger Ärzt*innen wird in den kleinen und mittleren Krankenhäusern in den meisten Fächern dann nicht mehr möglich sein, weil nur noch Teile des Krankheitsspektrums behandelt werden dürfen. Die kleinen und mittleren Krankenhäuser werden damit für Ärzt*innen unattraktiv gemacht. Das ist offensichtlich gewollt. Denn gerade die kommunalen Großkrankenhäuser haben erhebliche Probleme, Personal zu finden. Die Absicht ist wohl, den Ärzt*innen die Arbeit in den kleinen und mittleren Krankenhäusern so zu verleiden, dass sie gezwungen sind, in ein Großkrankenhaus zu wechseln. Das wird aber ein Teil der Ärzt*innen nicht mit sich machen lassen und abwandern. Diese Ärzt*innen fehlen dann in der Versorgung.
Damit werden gut funktionierende Krankenhäuser, die heute einen wesentlichen Teil der Krankenversorgung leisten und auch wesentlich zur Bewältigung der Pandemie beigetragen haben, zum Steinbruch aus dem die wenigen Großkrankenhäuser ihre wirtschaftlichen und personellen Probleme sanieren sollen. Die Stärkung der Großkrankenhäuser wird mit einem flächendeckenden Krankenhaussterben erkauft.
Dies ist kein Versehen, sondern die eigentliche Absicht der Autoren der Kommission. Hier ist ganz offensichtlich die dänische Krankenhauslandschaft das Vorbild. Dort wird die gesamte Bevölkerung mit sehr wenigen sehr großen Krankenhäusern versorgt.
Und anders als bei den Dänen, die Milliarden in den Umbau ihrer Krankenhauslandschaft investiert haben, um den Wandel reibungslos und ohne Gefährdung der Patient*innen zu gestalten, setzt der Bundesgesundheitsminister auf ein gnadenloses Fressen der Kleinen durch die Großen. Mit dem Risiko, dass zumindest in den Übergangsjahren die Großen die Patient*innen (noch) nicht versorgen können, während die mittleren und kleinen Kliniken bereits kaputt gegangen sind. Übrig bleibt dann eine dem dänischen Bild angenäherte Krankenhauslandschaft ohne die dafür notwendigen Investitionen. Patient*innen haben in diesem System keine Wahl. Für sie ist ein einziges Krankenhaus zuständig und dieses kann bis zu 100 Kilometer weit entfernt sein.
Das Risiko, dass es zu massiven Engpässen in der Krankenhausversorgung kommt, wird zusätzlich verschärft, da die verbleibenden Krankenhäuser nur noch 20 bis 40% der Einnahmen für tatsächlich behandelte Patient*innen bekommen. Der überwiegende Teil der Einnahmen wird durch die „Vorhaltung“ erzielt – also egal, ob Patient*innen behandelt werden oder nicht. Die Großkrankenhäuser, die in der Vorstellung des Bundesgesundheitsministers die Versorgung der Bevölkerung übernehmen sollen, haben dann wesentlich weniger wirtschaftlichen Druck, die Bevölkerung wirklich zu versorgen. Das Geld fließt, ohne dass Patient*innen behandelt werden oder überhaupt Termine bekommen.
Was außer Acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass es dem überwiegenden Teil der bundesdeutschen Krankenhäuser unter den gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen gelingt, eine qualitativ hochwertige Patient*innenversorgung kostendeckend sicherzustellen. Dieses Phänomen wird ausschließlich auf „Fehlanreize“ des DRG-Systems zurückgeführt. Dass eine kostendeckende Versorgung hoher Qualität aber auf einen verantwortungsvollen und klugen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen zurückzuführen ist, soll dagegen als Erklärung nicht in Frage kommen. Aufschlussreich wäre es in diesem Fall, die Arbeit von Krankenhäusern einer Region mit gleichen Leistungsspektren, aber unterschiedlichen wirtschaftlichen Ergebnissen zu analysieren.
Ohne Zweifel bedarf das Gesundheitswesen einer weitreichenden Reform, um die Potenziale der Ambulantisierung oder die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zielführender voranzubringen. Zur Verwirklichung unbewiesener Theorien gut funktionierende Strukturen zu zerschlagen, wie es mit dieser Reform der Fall wäre, halten wir für unverantwortlich.
Für weiterführende Gespräche stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Andreas Mörsberger Prof. Dr. med. Lutz Fritsche
Sprecher des Vorstandes Vorstand Medizin