Erntedank
Das Erntedankfest wird meistens am ersten Sonntag im Oktober gefeiert. Im Gegensatz zu den großen Glaubensfesten wie Ostern, Pfingsten oder Weihnachten hat es eher einen traditionellen Hintergrund und ist daher in der Form und sogar im Datum frei gestaltbar. Der Name macht bereits deutlich, was gefeiert wird: Dank für die Ernte, selbst wenn längst nur noch ein geringer Anteil der Menschen in der Landwirtschaft tätig oder direkt von der Ernte abhängig ist. In vielen Gemeinden spenden die Gemeindeglieder dazu Feld- und Gartenfrüchte sowie weitere Lebensmittel, mit denen der Altar geschmückt wird und die im Anschluss an bedürftige Menschen verteilt werden.
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Dank für die Ernte
Im Mittelpunkt des Erntedankfestes steht die Besinnung auf Gottes Schöpfung und die Abhängigkeit des Menschen von der Natur. Die Gaben der Natur werden als Geschenk Gottes betrachtet. Gottes Segen sorgt für das Gedeihen der Ernte, sie ist keine Selbstverständlichkeit. Trotz des enormen agrarwissenschaftlichen und technologischen Fortschritts mit Saatgutoptimierung, Automatisierung und Pflanzenschutzmitteln ist gerade die Landwirtschaft abhängig von menschlich nicht beeinflussbaren Faktoren wie zum Beispiel dem Wetter oder bestäubenden Insekten. »Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen liegt in des Himmels Hand«, bringt es Matthias Claudius in dem wohl bekanntesten Erntedanklied (EG 508 [1]) treffend zum Ausdruck.
Mit der Wandlung der Gesellschaft von einer Agrar- zur industriellen Gesellschaft standen immer weniger Menschen in direktem Bezug zur Landwirtschaft. Und in unserer heutigen globalisierten Welt, in der Waren über Ländergrenzen und Kontinente hinweg in großem Stil gehandelt werden, scheint die eigenen Ernte immer bedeutungsloser zu werden. Missernten lassen sich durch Einkäufe in anderen Regionen einfach kompensieren – wenn man es sich leisten kann. Alle Lebensmittel sind das ganze Jahr über verfügbar. In den vergangenen Jahren hat mit dem gestiegenen Umweltbewusstsein auch die Herkunft des Essens wieder an Bedeutung gewonnen: Viele Menschen legen bei ihrem Einkauf Wert auf regional erzeugte Lebensmittel, kaufen saisonabhängig, biologisch oder klimabewusst ein. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen der Natur bedeutet, nicht kurzfristig auf maximale Erträge zu setzen, sondern den Erhalt der Schöpfung auch für die nachkommenden Generationen.
Erntedank feiern
Typisch für den Erntedankgottesdienst ist der reich geschmückte Altar in der Kirche, mit Kürbissen, Äpfeln, Kartoffeln und allem, was Feld, Garten – oder Supermarkt – im Herbst zu bieten haben. In manchen Gemeinden werden daraus üppige Kunstwerke gebaut, in anderen tragen die Gottesdienstbesucher*innen die Gaben in einer Prozession selbst zum Altar, manchmal hängt noch eine aus Ähren geflochtene Erntekrone darüber. Häufig wird das Erntedankfest als Familiengottesdienst gefeiert, da es sich um so ein elementares und greifbares Thema handelt, das schon für jüngere Kinder zugänglich ist. Manche Gemeinden feiern auch draußen, außerhalb der Kirche, oder verbinden den Gottesdienst mit einem Ausflug. Die Lebensmittel- und oft auch Geldspenden werden nach dem Gottesdienst an bedürftige Menschen weitergegeben.
Wann wird das Erntedankfest gefeiert?
Seit dem 3. Jh. sind für die christliche Religion Erntefeste belegt. Sie fanden aber nicht zu einem festen Zeitpunkt im Kirchenjahr statt. Auch heute gibt es kein einheitliches Datum, da weltweit zu unterschiedlichen Zeiten geerntet wird. In Deutschland feiern es evangelische Gemeinden in der Regel am ersten Sonntag nach Michaelis (29. September), was meistens dem ersten Oktobersonntag entspricht. Regional kann davon jedoch abgewichen werden.
Erntefeste sind auch in anderen Religionen bekannt. Schon im Altertum – Ägypten, Griechenland und Rom – brachten die Menschen ihren Göttern Teile ihrer Ernte oder Tiere als Opfer. Mit den in einer symbolischen Handlung dargebrachten Opfergaben wollten sie den Göttern danken oder sie für das kommende Jahr gnädig stimmen. Im Judentum werden sogar zwei Erntefeste im Jahr gefeiert: Schawuot [2] (etwa zeitgleich mit unserem Pfingstfest) zur ersten Weizenernte und Sukkot [3] im Herbst, auch Laubhüttenfest genannt. Das islamische Opferfest dagegen ist kein Erntefest, sondern erinnert an die Rettung von Ismael/Isaak, der von seinem Vater Abraham geopfert werden sollte.
Ist Thanksgiving dasselbe wie Erntedank?
Dem Ursprung nach ist Thanksgiving [4], das in den USA am vierten Donnerstag im November begangen wird, ebenfalls ein Erntefest. Nach der Ankunft in Amerika und einem harten Winter lernten die Pilgerväter von den Ureinwohnern, welche Pflanzen sie ertragreich anbauen können. Zum Dank dafür soll das erste Thanksgiving gefeiert worden sein. Heute ist es einer der bedeutsamsten Feiertage in den USA und in Kanada, bei dem die ganze Familie zusammenkommt. Es gibt ein großes Festessen mit traditionellen Gerichten wie Truthahn, Mais, Süßkartoffeln und Kürbiskuchen. Anders als das christlich-europäische Erntedankfest ist Thanksgiving eher ein säkulares Fest mit christlichem Einschlag.
Gottes Schöpfung
Eng einher mit dem Dank für die Ernte geht der Wunsch nach der Bewahrung von Gottes Schöpfung. Die Bibel beginnt [5] mit der Beschreibung, wie Gott die Welt schafft. »Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde«, so lauten die ersten Worte des Alten Testaments. Und diese Welt war zunächst »wüst und leer« (hebräisch »tohu wa-bohu«). Die erste Ordnung entstand mit Gottes Befehl: »Es werde Licht!«. Auch das weitere Schöpfungshandeln geschieht durch Gottes Wort und die Benennung des Erschaffenen. Zunächst werden die Grundstrukturen angelegt: Licht und Dunkelheit, Himmel und Erde, Meer und Land. Dann die belebte Natur aus Pflanzen, Tieren und schließlich dem Menschen.
Aus dieser Schöpfungsgeschichte stammt auch der Gedanke von der Gottesebenbildlichkeit [6] des Menschen. Über die Erschaffung des Menschen heißt es: »Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn (…) Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.« (1. Mose 1, 27-28). Für unsere heutigen Ohren klingt so ein Herrschaftsbegriff negativ besetzt. In der Entstehungszeit dieses Textes im 6. Jh. v. Chr. war ein Herrscher jedoch ein gütiger Mensch, der sich um die Belange seiner Untertanen sorgt. Und so ist auch hier der Mensch [7] gedacht, als Stellvertreter*in Gottes auf der Erde, die*der im Namen Gottes über die Schöpfung wacht.
Warum gibt es mehrere Schöpfungsgeschichten in der Bibel?
Die Erschaffung der Welt in sieben Tagen, auch Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift genannt, ist nur ein Schöpfungsbericht in der Bibel. Gleich im Anschluss folgt die Geschichte, wie Gott Adam und Eva im Garten Eden aus Lehm macht (1. Mose 2, 5-25 [8], Jahwistische Schöpfungsgeschichte). Diese ist vermutlich deutlich älter und in ihr steht der Mensch stärker im Mittelpunkt. Eine einheitliche Vorstellung von der Entstehung der Welt gab es lange nicht. Bis naturwissenschaftlich belegbare Theorien entwickelt wurden, existierten zeitgleich verschiedene Erklärungsansätze, auch in anderen Religionen und Kulturen. Die biblischen Schöpfungsgeschichten können heute neben Urknall und Evolutionstheorie stehen, da sie sich mit jeweils unterschiedlichen Fragen auseinandersetzen. Aus theologischer Sicht geht es nicht darum, wie der Mensch entstanden ist, sondern warum. Darin sind sich beide biblischen Geschichten einig: Die Erschaffung der Welt ist Gottes Wille und die Aufgabe des Menschen besteht in ihrer Bewahrung.
Beide Schöpfungsberichte (und viele weitere biblische Geschichten) können auch als Podcast [9] angehört werden.
Bräuche zum Erntedankfest
Zum Brauchtum [10] an Erntedank gehören vor allem Erntefeste mit Musik, Tanz und festlichem Essen. Sie verbinden den abstrakten Dank an Gott mit dem konkreten für die Erntehelfer*innen. Zum Teil gehören zu den Festen auch Ernteumzüge mit geschmückten Wagen oder Trachtengruppen. Darüber hinaus gibt es einige typische Schmuckelemente zum Erntedankfest: die aus den letzten Ähren des Feldes geflochtene Erntekrone, das Ernterad oder den Ernteteppich [11], wo aus Früchten kunstvolle Bilder gelegt werden. Erntepuppen aus Stroh(ballen), die auf den abgeernteten Feldern stehen gelassen werden, kann man auch in unserer Region häufig entdecken.
Ideen für die Kita
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Marktbesuch: Obst und Gemüse kennenlernen, benennen, sortieren, probieren…
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Brotverkostung: Verschiedenen Brotsorten fühlen, riechen, schmecken
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Obst ernten und Saft mosten
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Projekt »Vom Korn zum Brot«: selbst Weizen keimen lassen, Korn mahlen, Brot backen
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gemeinsam kochen und backen
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Ausflug aufs Land oder auf einen Bauernhof
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Stillleben (Kunstdrucke) betrachten; selbst Stillleben arrangieren und malen
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einen Erntedank-Altar schmücken in der Kirche oder Kita
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Müllsammelaktion [12]
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Schatzsuche: Plastikwanne oder Schubkarre mit Erde oder Sand füllen und darin verschiedene »Bodenschätze« verstecken, z.B. Blumenzwiebeln, Legosteine, Murmeln, Spielfiguren. Wenn man die Kinder nach den Schätzen graben lässt, ist darauf zu achten, dass jedes Kind einen »Schatz« findet.
Buchtipps
- Leo Lionni (1967): Frederick. Weinheim, Beltz & Gelberg. Dieser Kinderbuchklassiker erzählt die Geschichte von der Maus Frederick, die statt Nüssen Sonnenstrahlen als Wintervorrat sammelt.
- Bart Moeyaert & Wolf Erlenbruch (2003): Am Anfang. Wuppertal, Peter Hammer Verlag. Ein von Wolf Erlenbruch illustriertes Bilderbuch für ältere Kinder und Erwachsen, das zum Nachdenken und Gesprächen über die Schöpfungsgeschichte anregt.
Hier können Sie den dazugehörigen Arbeitsbogen herunterladen.
In diesem Text verlinkte Websites:
[1] Die christliche Liederdatenbank: Wir pflügen und wir streuen (Alle gute Gabe). https://www.liederdatenbank.de/song/409
[2] Chabad-Lubawitsch Media Center: Jüdische.info, Schawuot auf einen Blick. https://de.chabad.org/library/article_cdo/aid/465329/jewish/Schawuot-auf-einen-Blick.htm
[3] Chabad-Lubawitsch Media Center: Jüdische.info, Wie wird Sukkot eingehalten? https://de.chabad.org/library/article_cdo/aid/1308825/jewish/Wie-wird-Sukkot-eingehalten.htm
[4] U.S. Diplomatic Mission to Germany: Amerikanische Feiertage, Thanksgiving. https://usa.usembassy.de/feiertage-thanksgiving.htm
[5] Deutsche Bibelgesellschaft: Lutherbibel 2017, 1. Mose 1. https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/GEN.1/1.-Mose-1
[6] Visionmedia e.V.: BibleProject deutsch, Das Ebenbild Gottes. https://www.youtube.com/watch?v=JKACvwfXD-A
[7] Evangelische Kirche in Deutschland: Mensch. https://www.ekd.de/Mensch-11234.htm
[8] Deutsche Bibelgesellschaft: Lutherbibel 2017, 1. Mose 2. https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/GEN.2/1.-Mose-2
[9] Die Zeit: Unter Pfarrerstöchtern, Die Erschaffung der Welt. https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-12/schoepfungsgeschichte-gott-bibel-bibelpodcast
[10] St. Benno Verlag, Vivat!: Erntedank - Ein Fest für Gottes Schöpfung. https://cms.vivat.de/themenwelten/jahreskreis/weitere-gedenk-und-feiertage/erntedankfest-bedeutung.html
[11] Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, evangelisch.de: Meisterwerke christlicher Kunst aus Früchten. https://www.evangelisch.de/galerien/151539/07-10-2018/fruechteteppich-sargenzell-huenfeld-christliche-kunst-aus-fruechten-koernern-bluetenblaettern
[12] Berliner Stadtreinigungsbetriebe: Kehrenbürger. https://www.kehrenbuerger.de/