Mit Planung zum Ziel – wenn aus einer Krise eine Chance wird
…das Neugeborene schreit schon wieder, die Geschwister streiten sich lautstark vor dem Fernseher, die Lehrerin ruft an und will ein Gespräch zur Situation in der Schule, im Briefkasten lag schon wieder ein Schreiben vom Inkassobüro – alles wächst mir über den Kopf…
In Situationen, in denen Familien Hilfe brauchen, haben Eltern (auch Personensorge-berechtigte genannt) und ihre Kinder die Möglichkeit, sich im Jugendamt beraten zu lassen. In Gesprächen mit der Familie arbeitet die Sozialarbeiter_in des Jugendamtes heraus, welche Probleme es in der Familie gibt. Gemeinsam wird überlegt, wie diese zu lösen sind, was es für Unterstützung gibt und ob diese angenommen werden kann. Im Ergebnis dieser Beratung schlägt die Sozialarbeiterin des Jugendamtes, meist nach Zustimmung ihres Vorgesetzten, eine dem Bedarf entsprechende Unterstützung in Form von Hilfe vor, die im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz)von §§ 28 bis 35 aufgeführt ist. Unterschieden wird dabei vor allem zwischen ambulanten und stationären Angeboten.
Um diese Leistungen zu erhalten, müssen Eltern die „Hilfe zur Erziehung“ beim Jugendamt beantragen. Beim Einsetzen einer Hilfe erfolgt eine Hilfeplanung unter der Federführung der Sozialarbeiter_in des Jugendamtes. Im gemeinsamen Gespräch mit den Eltern und ihrem Kind ist es das Ziel, herauszufinden, welche Hilfe für die Familie geeignet und notwendig ist.
„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“, benennt das Kinder- und Jugendhilfegesetz in §1 die wichtige Aufgabe der Eltern. Gleichzeitig hat jeder „junge Mensch das Recht auf Förderung und Erziehung zu einer selbständigen Persönlichkeit“ (ebenfalls §1).
Wenn das in seiner Familie nicht gewährleistet ist, kann Hilfe zur Erziehung in Anspruch genommen werden. Verschiedenste Gründe wie z. B. Vernachlässigung, Gewalt in der Familie, Missbrauch, fehlende Erziehungskompetenzen oder Kindeswohlgefährdung führen so zur stationären Unterbringung.
In der Hilfeplanung werden Ziele bzw. Absprachen vereinbart, an deren Erreichung alle Beteiligten arbeiten. Daher ist es wichtig, dass alle — Eltern, Kind bzw. Jugendliche_r, Jugendamt, Einrichtung, ggf. weitere Personen wie Lehrer oder Therapeuten — an der Hilfeplanung mitwirken. Das Hauptziel von stationärer Unterbringung ist immer die Rückkehr in die Familie. Nur wenn dies nicht möglich ist, wird entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes die Erziehung in einer anderen Familie vorbereitet. Vor allem bei älteren Kindern und Jugendlichen kann das Ziel auch eine auf längere Zeit angelegte Lebensform, z.B. in einer Regelgruppe sein oder die Vorbereitung auf ein selbstständiges Leben.
Wird gemeinsam beschlossen, dass das Kind in einer stationären Hilfe untergebracht wird, fragt die Sozialarbeiter_in des Jugendamtes bei Freien Trägern der Jugendhilfe nach freien Plätzen. Dort wird ein Vorstellungsgespräch angeboten, damit sich Eltern und Kind einen Eindruck von der Gruppe verschaffen können. Kommt es zu einer Aufnahme, erfolgt mit allen an der Hilfe Mitwirkenden (siehe oben) nach ca. sechs Wochen eine Hilfekonferenz. In dieser wird die Situation der Familie besprochen, gemeinsame Ziele festgelegt, Aufgaben verteilt an die Eltern, das Kind, die Betreuer_innern der Gruppe und die Sozialarbeiterin des Jugendamtes. Das Ergebnis dieser Hilfekonferenz wird als Hilfeplan schriftlich verbindlich festgehalten und von allen unterschrieben.
Auf dieser Grundlage wird regelmäßig, meist alle 6 Monate, zusammen geprüft, welche Veränderungen eingetreten sind, welche Aufgaben bereits erfüllt sind und wo es eventuell neue Probleme gibt.
Eltern bleiben immer Eltern und auch in der Pflicht, sich um ihre Kinder zu kümmern. Mit der Unterbringung des Kindes, haben die Eltern die Pflicht, Veränderungen mit professioneller Hilfe anzugehen. Sie können z. B. Gespräche in einer Erziehungs- und Beratungsstelle führen und die Probleme in ihrer Familie bearbeiten.
Das Kind lernt in der Gruppe einen Alltag kennen, der viel von Struktur, Absprachen und klaren Regeln, die für alle gelten, bestimmt ist (siehe auch Arbeitsplatz Heim). Es kann regelmäßig in die Schule gehen und wird z. B. alle 14 Tage am Wochenende seine Eltern zu Hause besuchen. In dieser Zeit kann die Familie ausprobieren, was durch die Veränderungen bereits besser läuft, aber auch, wo es noch weiterhin gemeinsames Arbeiten braucht, um bald wieder zusammen leben zu können.
So wird es im Verlauf der Hilfe immer längere Phasen geben, in denen alle das „Zusammen Leben“ ausprobieren. Alte unerwünschten Verhaltensmuster sollen möglichst dauerhaft verändert sein. Dann wird es eine Rückführung in die Familie geben. Die stationäre Jugendhilfe wird mit dem Umzug des Kindes zurück zu den Eltern beendet. Es findet ein Abschlussgespräch im Jugendamt statt. Wenn es die Familie wünscht, kann sie bei Bedarf noch eine ambulante Familienhilfe erhalten. Diese unterstützt das Zusammenleben in der ersten Zeit und klärt umgehend entstehende Probleme.
Als Erzieher_in in der stationären Jugendhilfe haben Sie großen Anteil an der Hilfeplanung und deren Umsetzung. Im Vorstellungsgespräch lernen Sie Menschen kennen, die professionelle Unterstützung brauchen, um ihre Schwierigkeiten miteinander anzusprechen und zu bearbeiten. Um besser miteinander leben zu können, wollen sie ihre Unterstützung annehmen.
Einerseits ist eine einfühlsame Gesprächsführung von Ihnen von Nöten, um den Eltern das Gefühl zu geben, dass ihr Kind in der Gruppe gut aufgehoben ist. Andererseits ist es wichtig, Regeln und Grenzen deutlich zu benennen und Erwartungen zu formulieren. Absprachen müssen getroffen und schriftlich festgehalten werden.
Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen fordert eine hohe Kompetenz von Ihnen, Beziehung zu Menschen auszubauen und zu halten. Kinder und Jugendliche brauchen ein erwachsenes Gegenüber, zu dem sie eine tragfähige, vertrauensvolle Beziehung aufbauen können. Auf dieser Grundlage kann sowohl der Alltag gestaltet, als auch die Aufgaben des Hilfeplanes bearbeitet werden.
Sie sind im regelmäßigen fachlichen und persönlichen Austausch mit Ihren Teamkolleg_innen. Sowohl zu den kontinuierlich stattfindenden Teamabsprachen, als auch bei der Supervision und Fallberatungen besprechen Sie sich intensiv zu den Hilfeverläufen, den alltäglichen Vorfällen und dem Gruppengeschehen. Mit diesem fachlichen Hintergrund stehen Sie im Austausch mit dem Jugendamt, vor allem aber auch mit den Personensorgeberechtigten. Zur Vorbereitung auf eine Hilfekonferenz beschreiben Sie in einem Entwicklungsbericht die aus Ihrer Sicht erfolgten Veränderungen und schlagen mögliche weitere Ziele und Aufgaben vor. Dabei achten Sie auf eine alters- und entwicklungsentsprechende Beteiligung des Kindes bzw. des Jugendlichen und die der Eltern.
Empathie für „große und kleine“ Menschen, lösungsorientiertes Arbeiten, gelingende Gesprächsführung, Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit, transparentes Arbeiten, Selbstreflexion, Kritikfähigkeit, Alltagsgestaltung und die Freude am Einlassen und Teilhaben am Leben mit Menschen sind die Herausforderungen für Erzieher_innen – und das Handwerkszeug, das diesen Beruf für Menschen zur Berufung werden lässt.
Autor und Autorin: Hr. Schäpe und Fr. Mohs (Dr. Janusz Korczak-Haus am Tierpark, EJF gAG)