28.09.2022 | Kältehilfe ist keine Dauerlösung
Zum Beginn der Kältehilfesaison mahnt die Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: Die Kältehilfe kann nur ein Notsystem sein. Berlin muss das ganzjährige Hilfesystem so aufstellen, dass wir mit wenigen Kältehilfeplätzen auskommen und dennoch ausreichend Plätze für alle wohnungslosen Menschen haben.
Im kommenden Winter stehen ca. 1.000 Notübernachtungsplätze zur Verfügung, davon knapp 650 „reine“ Kältehilfeplätze. Demgegenüber wurden im Rahmen der letzten „Nacht der Solidarität“ mindestens 2.000 wohnungslose Menschen angetroffen, die Dunkelziffer ist unbekannt.
Diakonie-Direktorin Dr. Ursula Schoen: „Der Senat hat es sich zum Ziel gesetzt, Wohnungslosigkeit und auch Straßenobdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 zu beenden. Der von Senatorin Kipping einberufene Kältehilfegipfel und die Qualitätsentwicklungskonferenz der Koordinierungsstelle sind wichtige erste Schritte. Aber die Anstrengungen reichen bislang nicht aus - trotz verbesserter Zusammenarbeit zwischen Senat, Bezirken und Verbänden.“
Zur Ursachenforschung ist ein genauer Blick auf das „System Kältehilfe“ und das ganzjährige Hilfesystem notwendig: Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, sind vielfältigen Gefahren ausgesetzt. Die Ordnungsbehörden sind verpflichtet, diese Gefährdungslagen abzuwenden, indem sie Menschen ohne Unterkunft (nach dem sog. ASOG) in Wohnheimen, Hostels oder Pensionen unterbringen. Im Land Berlin sind das knapp 26.000 Menschen.
Für Menschen, die kurzfristig ihre Unterkunft verloren und / oder den Zugang zum Hilfesystem noch nicht gefunden haben, gibt es in Berlin ganzjährige Notübernachtungen - drei ausschließlich für Frauen, zwei für Familien und drei für alle Geschlechter. Die so insgesamt zur Verfügung stehenden 238 Plätze sind coronabedingt jedoch deutlich reduziert bzw. werden regelmäßig an das Infektionsgeschehen angepasst.
Diese Notübernachtungen stehen nur für Familien nachts zur Verfügung und müssen tagsüber verlassen werden. Daher wurden aus EU-Mitteln weitere Plätze in sogenannten 24/7-Einrichtungen geschaffen. Hier bekommen 153 Menschen eine Bleibe für einen Aufenthalt rund um die Uhr und ohne Zugangsbarrieren.
Dr. Schoen: „Die Berliner Kältehilfe ist ein ergänzendes Angebot in den Wintermonaten. Sie wurde vor über 30 Jahren von Kirchengemeinden ins Leben gerufen. Zunächst rein von Ehrenamtlichen getragen, entwickelte sich die Berliner Kältehilfe mit den Jahren zu einem festen Bestandteil in der Wohnungslosen-Versorgung. Dabei war die Kältehilfe von Anfang an prekär finanziert. Ein weiteres Problem ist, dass der Immobilien- und Personalbedarf nur für wenige Monate im Jahr besteht. So fallen immer wieder geeignete Immobilien weg und auch Haupt- und Ehrenamtliche müssen jeden Winter neu gefunden werden. Den Trägern fehlt jegliche Planungssicherheit.“
Corona wird die diakonischen Einrichtungen erneut vor Herausforderungen stellen. Die Mitarbeitenden sind bereits im Krisenmanagement und bei der Anpassung an Abstands- und Hygieneregeln, in der Testung und im Umgang mit positiven Testergebnissen, bei der Reduzierung und der Ausweitung von Plätzen geübt. Dennoch bleiben Risiken. Diese können nur durch gute, annehmbare und allen Menschen offen stehenden Unterkünfte und durch bestmögliche Kooperation der Gesundheitsverwaltung verringert werden.
Diakonie-Direktorin Dr. Schoen: „Die steigenden Energiekosten sind für die Einrichtungen der Kältehilfe im kommenden Winter ein ernsthaftes Problem. Mit 17 EUR pro Person und Platz ist eine auskömmliche Finanzierung nicht möglich. Wir fordern daher von der Senatsverwaltung für Finanzen die sofortige Abschaffung der Kostendeckelung und die Einführung eines vereinfachten Antragsverfahrens für die Kältehilfe.
Wir halten es dringend für erforderlich, dass wir uns gemeinsam - also Senat, Bezirke, Verbände und soziale Träger – überlegen, wie wir obdachlose Menschen in der Stadt unterbringen wollen, zu welchen Bedingungen und zu welchen Standards, und zwar für alle Unterbringungsarten! Nur gemeinsam ist das Ziel erreichbar, die Wohnungs- und Straßenobdachlosigkeit bis 2030 zu beenden.“
Die Mitgliedseinrichtungen der Diakonie Berlin betreiben ca. 60 % der Kältehilfeplätze. Damit ist die Diakonie größter Anbieter der Kältehilfe in der Hauptstadt.
Berlin, 27. September 2022
►Hier können Sie die LIGA-Pressemappe zur PK-Kältehilfe mit allen Einzel-Statements herunterladen.
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