Statement der Wohlfahrtsverbände zur Einführung der Bezahlkarte in Berlin
AWO, Caritas, Diakonie und Paritätischer Wohlfahrtsverband zur Entscheidung des Landes Berlin zur Beteiligung am länderübergreifenden Vergabeverfahren einer Bezahlkarte für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vom 30.01.2024.
Andrea U. Asch, Diakonie-Vorständin und Federführung der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege:
"Mit der Einführung der Bezahlkarte für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz begibt sich der Senat auf ein äußerst dünnes Eis. Grundsätzlich gehen wir aber davon aus, dass das Land Berlin zu seiner Zusage steht, dass auch künftig mit der Bezahlkarte kein Sachleistungsprinzip eingeführt wird und diese Position auch bundesweit durchsetzen kann. Erfahrungen mit Bezahlkarten zeigen: Eine eigenständige Lebensgestaltung für Asylbewerbende wird dadurch erschwert. Sachleistungen und diskriminierende Einschränkungen sind Gang und Gäbe. Es ist nicht nachvollziehbar, wie Verwaltungskosten eingespart werden sollen, während jährlich zehn Millionen für das Kartensystem ausgegeben werden. Zehn Millionen, die unseren Migrationsberatungen und für Integrationskurse fehlen, die dringend in der Jugendarbeit gebraucht würden. Wir werden die Entwicklung sehr genau begleiten. Die Menschenwürde darf nicht wieder auf der Welle populistischer Ideen den Kürzeren ziehen."
Die Träger der Freien Wohlfahrtspflege bieten ca. 8.000 Unterkunftsplätze für Geflüchtete und Erfahrung aus der Arbeit von 90% aller Migrationsberatungsstellen im Land Berlin.
Ergänzung vom 19. März 2023
Reaktion auf Aussagen von Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister Berlin (siehe https://www.tagesspiegel.de/berlin/strenge-regeln-fur-gefluchtete-auch-in-berlin-wegner-will-bargeldabhebungen-mit-bezahlkarte-begrenzen-11385343.html):
Andrea U. Asch, Diakonie-Vorständin und Federführung der LIGA Berlin:
"Die unsägliche Diskussion um die Einführung und Ausgestaltung einer Bezahlkarte muss nun endlich auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Die Bevölkerung wird durch das Scheinargument der Schlepperkriminalität verunsichert. Schlepperkosten sind selbstverständlich bereits gezahlt, wenn Geflüchtete in Deutschland ankommen. Außerdem zeigen Statistiken und unsere Erfahrungen, dass erst mit der steuerpflichtigen Erwerbstätigkeit nennenswerte Beträge zur Unterstützung von Angehörigen und Freunden in schwierigsten Lebenssituationen geschickt werden.
Die Wohlfahrtsverbände sagen ganz klar und faktenbasiert: die Bezahlkarte ist ein Integrationshemmnis und bringt für das Land unnötige finanzielle Belastungen. Die jährlichen Kosten in Millionenhöhe sind angesichts der Lücken im Berliner Haushalt nicht zu rechtfertigen.
Asylbewerbende haben das gleiche Recht wie der Regierende Bürgermeister auf eine kostengünstige, selbstständige Alltagsgestaltung. Auch sie dürfen gebrauchte Fahrräder, Kleidung, Möbel von Privatpersonen kaufen. Dazu braucht es mehr als 50 Euro im Monat. Die gesamte Diskussion ist für Berlin und Brandenburg realitätsfern und nicht zielführend."
Pressekontakt
Sebastian Peters
Pressesprecher LIGA Berlin/Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
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