Wahlwiederholung Berlin 2023
Unsere sozialpolitischen Forderungen an die zukünftige Berliner Landesregierung
1. EXISTENZMINIMUM VERLÄSSLICH SICHERN!
Unabhängige Beratungsangebote sichern und ausbauen: Allgemeine Sozialberatung, Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung stärken
Die extrem steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten treiben viele Menschen in Existenznöte. Die Preissteigerungen treffen arme Menschen am härtesten, belasten aber zunehmend Menschen aller Einkommensgruppen. In diesen schwierigen Zeiten ist ein gut ausgebautes Netz an qualifizierter Beratung unerlässlich. Deshalb ist es jetzt besonders wichtig, dass die Landespolitik das seriöse Angebot der allgemeinen unabhängigen Sozialberatung und der Schuldnerberatung der Wohlfahrtsverbände sichert und stärkt: Auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen dürfen das Land und die Bezirke nicht bei diesen wichtigen Angeboten sparen, sondern müssen die Beratungsstellen mit den erforderlichen Ressourcen ausstatten. Neben ausreichenden Kapazitäten für die zunehmenden Beratungsbedarfe der Ratsuchenden gehört dazu die Refinanzierung der steigenden Lohn-, Miet- und Betriebskosten der Träger.
Erreichbarkeit, persönlichen Zugang und schnelle Bearbeitungszeiten in den Berliner Behörden gewährleisten
Auch knapp drei Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie sind einige Berliner Behörden wie etwa Jobcenter nur eingeschränkt erreichbar und persönlich zugänglich. Hinzu kommt die zum Teil unerträglich lange Bearbeitungszeit für Anträge, beispielsweise in den Wohngeldstellen. Leistungen werden nicht oder nur verspätet ausgezahlt oder es droht sogar der Wohnungsverlust. können die Solche existenzgefährdenden Folgen sind für das Land Berlin nicht hinnehmbar. Gerade jetzt, wenn viele Menschen im Zuge der Preissteigerungen in finanzielle Notlagen geraten, gilt: Sozialleistungen müssen die Menschen schnell erreichen. Die notwendigen Zugangswege zu den Berliner Behörden müssen geschaffen werden. Die Reformen beim Wohn- und Bürgergeld und die weiteren Entlastungshilfen bringen nichts, wenn sie nicht jetzt einen spürbaren Unterschied für die Menschen machen.
Digitale Zugangswege bieten zwar Potenziale und versprechen Effizienzgewinne sowohl für Antragsstellende als auch für Mitarbeitende der Behörden, sind aber nicht für alle Menschen nutzbar. In Zeiten zunehmender Digitalisierung muss das Land Berlin sicherstellen, dass niemand abgehängt wird und auch analoge Zugänge für Menschen ohne technische Ausstattung und ohne digitale Kompetenzen sichergestellt sind.
2. WOHNEN DARF KEIN LUXUS SEIN!
Fairen Wohnungsmarkt für alle Menschen schaffen
Der angespannte Berliner Wohnungsmarkt mit seinen stark steigenden Mieten und Immobilienpreisen schließt viele Menschen aus. Eine sozial ausgerichtete Wohnungspolitik muss für einen gleichberechtigten Marktzugang sorgen: Das schließt auch wohnungslose Menschen, Klient:innen der Jugendhilfe und Eingliederungshilfe, einkommensarme, alleinerziehende und ältere Menschen sowie Menschen mit Behinderungen oder einem Fluchthintergrund ein. Für die Versorgung dieser Menschen muss Wohnraum geschaffen werden, beispielsweise durch Ankauf, Rückkauf und Neubau sowie Verlängerung oder Ankauf von Belegungsbindungen im sozialen Wohnungsbau. Das geschützte Marktsegment sollte erweitert werden, z.B. durch Einbeziehung privater Vermieter:innen. Die Vergaberegeln sollten berlineinheitlich gestaltet werden und ein faires Vergabeverfahren installiert werden.
Konkret fordern wir von der neuen Landesregierung die Umsetzung der Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und Wohnungslosenpolitik; die Weiterentwicklung und den Ausbau der Hilfen nach § 67 SGB XII, Wohnperspektiven für Menschen, die nach dem ASOG in Wohnheimen, Hostels oder Pensionen untergebracht sind, neue Präventionskonzepte und eine Stärkung und bessere Ausstattung der Wohnungslosentagesstätten.
Mieter:innen schützen, sozialen Wohnungsbau fördern und gemeinwohlorientierten Neubau stärken
Berlin als Mieter:innen-Stadt mit weiterhin mehr Zuzug als Abzug braucht dringend den Dreiklang aus: bauen, schützen und erhalten.
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Gemeinwohlorientierten Neubau ermöglichen in Kombination mit einer sozialen Förderung (Sozialer Wohnungsbau)
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Milieu-Schutzgebiete ausweiten, um die Zusammensetzung in den Kiezen nicht zu gefährden und Menschen vor Verdrängung zu schützen.
Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen regulieren.
Wohnungslosigkeit beenden
Alle Menschen, die nach dem ASOG in Wohnheimen, Hostels und Pensionen untergebracht sind, müssen Mietwohnungen und bei Bedarf wohnbegleitende Hilfen, z.B. nach § 67 SGB XII, erhalten. Präventive Angebote und begleitendes Wohnen nach § 67 SGB XII müssen ausgebaut werden. Insbesondere Haushalte mit Kindern und Haushalte von älteren oder kranken Menschen dürfen nicht geräumt werden, ohne dass angemessener Ersatzwohnraum zur Verfügung steht. Für Menschen, die auf der Straße leben, müssen langfristige Perspektiven geschaffen werden.
3. FAMILIEN STÄRKEN!
Fairer Wettbewerb um Personal und Sicherung der Angebotsvielfalt in der Kita
Die Kindertagesbetreuung gehört in die „subsidiäre Struktur der Jugendhilfe“. Das bedeutet, dass verschiedene Träger mit unterschiedlichen pädagogischen Konzepten Kindertagesbetreuung anbieten. Durch einseitige Bevorteilung öffentlicher Träger mittels Sonderzulagen für das öffentlich angestellte Personal (Hauptstadtzulage) entstehen Wettbewerbsvorteile für die Eigenbetriebe des Landes Berlin. Das untergräbt die Pluralität der Angebote durch die freien Träger, denn sie bekommen diese Sonderzulage für ihr Personal nicht refinanziert.
Außerdem ist der gesetzliche geforderte Eigenanteil der Träger zu hoch. Die Träger finanzieren den öffentlichen Auftrag der Kindertagesbetreuung aus eigenen Mitteln mit. Zusätzliche über die letzten Jahre gestiegene Kosten im Sach- und Personalkostenbereich erschweren den diakonischen Trägern die Bewirtschaftung von Kindertagesstätten. Mieten, Landesmindestlohn, Ausgaben für Datenschutz u.a. sind erheblich gestiegen und werden nicht voll refinanziert. Wir fordern den 5% Eigenanteil in der Pauschalfinanzierung deutlich zu reduzieren. Kinderbetreuung ist ein öffentlicher Auftrag, der von öffentlicher Seite auskömmlich zu finanzieren ist!
Kita-Sozialarbeit ist notwendig
Nicht erst seit Corona wissen wir: Die Kita ist ein wichtiger Ort, an dem Familien in schwierigen Lebenslagen Unterstützung erfahren. Deshalb brauchen wir Ressourcen für Kita-Sozialarbeit zur Unterstützung der Berliner Familien. Die Mitarbeitenden unserer Kindertagesstätten stehen im engen und vertrauensvollen Austausch mit den Familien. Daher sind die Kitas besonders geeignet, in Krisenzeiten den notwendigen Kontakt mit den Kindern und Familien zu halten und Warnsignale für bedrohtes Kindes- und Familienwohl rechtzeitig zu erkennen. So nehmen Kindertagesstätten ihren Schutzauftrag für Kinder und ihre Familien wahr. Mit Sozialer Arbeit in Kindertagesstätten werden mit relativ geringem Aufwand zusätzlich wichtige, niedrigschwellige Angebote an Familien herantragen und Brücken zu unterstützenden Strukturen aufgebaut. Deshalb fordern wir die Auflage eines Landesprogramms – analog zur Schulsozialarbeit – und eine entsprechende finanzielle Berücksichtigung der Kita-Sozialarbeit in den Budgets der Bezirke.
Mehr und bessere Kitaplätze für alle Berliner Kinder
Trotz des Rechtsanspruches auf einen Kita-Platz hat Berlin nicht genügend Plätze für alle Kinder. Mehrere evangelische Träger stehen in der Warteschlange und sind bereits finanziell in hohe Vorleistung gegangen. Wir fordern eine Aufstockung des bestehenden Landesprogrammes „Auf die Kitas, fertig los“ und zusätzliche Fördermöglichkeiten für die Sicherung des Bestandes sowie den Ausbau.
Gewaltschutz für Frauen und deren Kinder
Von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder brauchen verlässlichen, niedrigschwelligen, unbürokratischen, diskriminierungs- und barrierefreien Zugang zu Schutz und Hilfe, unabhängig von sozialer oder ethnischer Herkunft, dem Aufenthaltsstatus, Religion oder Weltanschauung, sexueller und geschlechtlicher Identität, ihrer materiellen Situation, Gesundheitszustand oder einer Behinderung. Dies erfordert eine bedarfsgerechte Ausstattung, den Ausbau und eine gesicherte Finanzierung des Hilfesystems. Wir fordern, dass sich die zukünftige Landesregierung für einen eigenständigen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei häuslicher Gewalt in einer bundesgesetzlichen Regelung einsetzt und ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Istanbul-Konvention im Land Berlin nachkommt. Das beinhaltet die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen ebenso wie ein Ressort übergreifendes Gesamtkonzept, das auch die Prävention von Gewalt stärkt und Betroffene sowie die Zivilgesellschaft einbezieht.
Kinder- und Familienarmut wirksam bekämpfen
Jedes fünfte Kind in Berlin ist arm. Die von der Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut vorgeschlagenen Schritte zur Bekämpfung der Armut müssen verbindlich und haushaltswirksam werden und weiterhin zusammen mit Expert:innen außerhalb der Verwaltung geplant werden. Auch sind sie regelmäßig zu evaluieren. Um Familien und damit auch die Kinder vor Armut zu schützen, muss die Landesregierung eine Ressort-übergreifende Armuts- und Sozialberichterstattung einführen. Die neue Landesregierung sollte sich auf Bundesebene für eine Kindergrundsicherung einsetzen.
4. DIE CHANCEN VON BENACHTEILIGTEN KINDERN UND JUGENDLICHEN ERHÖHEN!
Gute Betreuung in der Jugendhilfe sicherstellen – auch für unbegleitete minderjährige Geflüchtete (UMG)
Die stationären Angebote der Hilfen zur Erziehung sind aktiver Kinderschutz und gehören zur existenziellen Grundversorgung Berlins – das Land steht daher in besonderer Leistungspflicht. Mit dem wachsendem Personal- und Fachkräftemangel drohen Versorgungslücken für diejenigen, die Hilfe am dringendsten benötigen. Dazu darf es nicht kommen. Der von uns lange eingeforderte und nun endlich begonnene Dialog zum Thema Fachkräfte in den Hilfen zur Erziehung muss mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen die Bedingungen schaffen, Fachkräfte für dieses anspruchsvolle Arbeitsfeld gewinnen und halten zu können. Insbesondere sind Mittel zur Förderung von Ausbildungsangeboten bereit zu stellen.
Mit den anhaltend hohen Zugangszahlen von unbegleitet einreisenden minderjährigen Geflüchteten steht die Jugendhilfe in Berlin vor besonderen Herausforderungen. Es benötigt nicht nur ein deutliches Mehr an Plätzen zur Unterbringung, diese müssen vor allem den fachlichen Anforderungen genügen – damit die jungen Menschen die Fluchterfahrung verarbeiten und eine gute Entwicklung nehmen können. Ein Zuwachs an qualifizierten Plätzen bedeutet daher auch eine Aufstockung der dafür zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Ein Absenken von Betreuungsstandards als Sparmaßnahme darf es nicht geben.
Im Gegenteil: Der Berliner Rahmenvertrag Jugendhilfe (BRVJug) ist bereits jetzt ein „Einsparvertrag“. Er definiert die Rahmenbedingungen unter denen die einzelnen Hilfeangebote zu gestalten sind und entstand in einer Berliner Haushaltsnotlage mit dem Ziel von Millioneneinsparungen.
Der bereits eingeleitete Prozess zur Überprüfung der Personalbemessung in den stationären Angeboten muss fortgeführt und die Ergebnisse müssen schnell umgesetzt werden. Nur so wird die Versorgung der Kinder und Jugendlichen sichergestellt.
Nicht zuletzt zur Bewältigung der individuellen Folgen der Pandemie sind oft zusätzliche Maßnahmen und Angebote in den Hilfen zur Erziehung nötig. Viele einzelne Kinder, Jugendliche und junge Volljährige benötigen zusätzliche individuelle Unterstützung, z.B. zur Erreichung ihrer Bildungsziele, zum Wiederaufbau sozialer Kontakte oder der Neuausrichtung der beruflichen Perspektive.
Diese muss - ohne weitergereichten wirtschaftlichen Spardruck - durch die Mitarbeitenden der Regionalen Sozialpädagogischen Dienste (RSD) der Bezirke für jedes Kind bedarfsgerecht bewilligt werden können. Sparen bei jungen Menschen, die durch die Hilfen zur Erziehung erreicht werden, verursacht langfristig um ein Vielfaches höhere Kosten
Digitalisierungsstrategie Jugendhilfe ernsthaft voranbringen
Digitale Teilhabe ist für eine gelingende Entwicklung junger Menschen unabdingbar. Zugänge zu Bildung, Kultur und politischer Mitbestimmung hängen genauso davon ab wie die Gestaltung des Lebensalltags, die Pflege sozialer Kontakte und der Zugriff auf Hilfs- und Unterstützungsleistungen. Vielen jungen Menschen stehen dennoch weiterhin keine ausreichenden digitalen Endgeräte und verlässliche Datenzugänge zur Verfügung.
Die angekündigte Digitalisierungsstrategie Jugendhilfe ist bislang ausgeblieben, sie muss dringend in Gang gebracht werden. Die Maßnahmen aus dem Digitalpakt Schule erreichen viele junge Menschen noch immer nicht verlässlich, gerade viele Jugendliche in der Verselbständigung erleben hier eine Mangelsituation, unbegleitete minderjährige Geflüchtete sind nur zu geringem Teil überhaupt in schulische Strukturen verlässlich eingebunden.
Junge Menschen, die auf unterstützende Maßnahmen der Jugendhilfe angewiesen sind, haben die gängigen Entwicklungsaufgaben ihrer Altersgruppe ohnehin unter deutlich erschwerten Bedingungen zu bewältigen – sie wurden durch die Auswirkungen der Pandemie bereits zusätzlich herausgefordert und benachteiligt - wir können es uns nicht leisten, ihnen zusätzliche Lern- und Entwicklungshemmnisse aufzubürden, indem wir Sie von digitaler Teilhabe ausschließen.
Jugendsozialarbeit und Sozialraumorientierung – Nachhaltigkeit statt Ad-hoc-Projekte.
Die Ereignisse an Silvester haben die Diskussion zur Jugendsozialarbeit in den Fokus gerückt. Im Rahmen der Aufarbeitung darf es nun nicht erneut nur zu temporären Ad-hoc Maßnahmen im Rahmen befristeter Projekte kommen. Berlin muss zu einer bedarfsorientieren und auf Dauer angelegten guten Grundausstattung der Jugendsozialarbeit zurückkehren. Dauerhafte Lösungen für eine sozialraumorientierte Jugendsozialarbeit müssen auch auf Dauer angelegt sein. Prekäre, temporäre Finanzierungen verhindern das Entstehen dauerhafter und wirkungsvoller Hilfestrukturen.
Unterstützungsstrukturen für Careleaver und junge Schutzsuchende ausbauen und Integration fördern
Jugendliche und junge Volljährige, die die stationären Hilfen zu Erziehung aus Altersgründen verlassen müssen(Careleaver) benötigen besonderen Schutz und eine nachgehende Absicherung in der Phase der Verselbständigung. Es fehlt ihnen oft an sozialem und/oder ökonomischem Rückhalt durch ihre Familien. Dies gilt insbesondere auch für viele junge Geflüchtete.
Es braucht dazu ein besseres Schnittstellenmanagement für die Gruppe der Careleaver, die konsequente Nutzung des Handlungsspielraumes bei bedarfsbezogener Anwendung des §41 SGB VIII (Hilfe für junge Volljährige) durch die Jugendämter, sowie die Unterbringung von jungen Erwachsenen im jugendgerechten Wohnen.
Die Strukturen und Ausstattungsmerkmale der Jugendberufshilfe benötigen eine zeitgemäße Anpassung, um die geänderten Bedarfe junger Menschen besser zu berücksichtigen und den veränderten Lebensbedingungen in der Stadt gerecht zu werden.
Die Umsetzung der mit der SGBVIII – Reform eingeführten Rückkehroption für junge Volljährige in die Hilfen zur Erziehung und damit in entsprechende Unterstützungssettings muss in Berlin schnellstmöglich erfolgen und (verwaltungs-) politisch sowie finanziell abgesichert werden.
5. DAS GESUNDHEITSSYSTEM STÄRKEN!
Subsidiarität und Trägervielfalt für eine kompetente und flächendeckende Versorgung
Eine gute wohnortnahe, patientengerechte Versorgung braucht Trägervielfalt. Die Bewältigung der Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass die Überlastung der Krankenhäuser nur mit Unterstützung aller Kliniken möglich ist. Nicht nur in der Pandemie, sondern auch im Alltag leisten diakonische Krankenhäuser mit der stationären Versorgung von rund 110.000 Patient:innen durch über 1.000 Ärzt:innen sowie über 2.200 Pflegekräfte an 13 Standorten ihren Beitrag. Dem wird die politische Wahrnehmung nicht gerecht. Politische Entscheidungsträger:innen werden nicht müde, vorrangig die öffentlichen Krankenhäuser in den Blick zu nehmen. Rekommunalisierung in allen Bereichen und eine Sonderstellung der öffentlichen Krankenhäuser kennzeichnen die Diskussion. Die mindestens teilweise aus Haushaltsmitteln finanzierte Hauptstadtzulage öffentlicher Krankenhäuser und die Kapitalzuführung für Vivantes in den Jahren 2022/23 sind sichtbarer Ausdruck dieser Politik. Dies ist ungerecht und wettbewerbsverzerrend. Wir fordern ein Umdenken und eine Rückkehr zum gesetzlichen Leitbild der Subsidiarität und Trägervielfalt. Nur so kann eine bestmögliche gesundheitliche Versorgung der Berliner:innen gesichert werden.
Investitionen in Krankenhäuser
Krankenhäuser haben einen gesetzlichen Anspruch auf die Finanzierung baulicher Anlagen und technischer Ausstattung, die ihre wirtschaftliche Sicherung gewährleistet, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherstellt und zur Beibehaltung und Steigerung der Effizienz und Qualität beiträgt.
Eine zukunftsfeste Krankenhausstruktur ist notwendigerweise verbunden mit einer bedarfsgerechten Investitionsförderung durch das Land. Ein wirksamer und nachhaltiger Fortschritt in der Investitionsfähigkeit der Krankenhäuser erfolgt aktuell mit der vorliegenden Haushaltsplanung nicht in ausreichendem Maße. Mit Unverständnis nimmt die Diakonie die vom derzeitigen Senat geplante Kapitalzuführung für Vivantes in Höhe von 200 Mio. € in den Jahren 2022/23 mit Mitteln aus dem Landeshaushalt zur Kenntnis.
Die Diakonie erwartet, dass das Land Berlin seinen Investitionsverpflichtungen nachkommt und dabei dem Grundsatz der Trägerpluralität Rechnung trägt.
Fachkräftemangel entgegenwirken und Ausbildungskapazitäten ausbauen
Die Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl von Fachkräften wird auch die kommenden Legislaturperioden prägen. Professionelles Personal ist das Rückgrat für eine bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung. Dies findet sich auch in den aktuellen Wahlprogrammen der Parteien wieder. Ein zentraler Baustein für diese Forderung aus der Landespolitik ist die Ausbildung in den Gesundheits- und Pflegeberufen.
Mit Blick auf ihren diakonischen Auftrag stellen sich diakonische Krankenhäuser ihrer Verantwortung gegenüber jungen Menschen. Aktuell werden rund 630 Menschen allein in den Gesundheitsberufen ausgebildet, davon rund 480 in der Pflege. Eine Steigerung der Ausbildungszahlen, insbesondere in der Pflege, ist angestrebt und dem Land konkret angeboten worden. Mit Sorge verfolgt die Diakonie die politischen Akzentsetzungen im Land Berlin. Mit der Förderung eines Ausbildungscampus für die öffentlichen Träger und der fehlenden Berücksichtigung des notwendigen Investitionsbedarfs diakonischer Krankenhäuser, können wir nicht zufrieden sein. Trägervielfalt und deren Umsetzung sieht anders aus. Dafür werden wir uns weiterhin aktiv in die politischen Diskussionen einbringen.
6. DEMOKRATIE UND ENGAGEMENT FÖRDERN!
Umsetzung der Berliner Engagementstrategie 2020-2025 - Rahmenbedingungen für Engagement und Vernetzung stärken
Das freiwillige Engagement in Berlin ist durch eine hohe Vielfalt geprägt. Dieses Engagement wird auch in Ev. Kirche und Diakonie von vielen Organisationen, Unternehmen, Vereinen, Kirchgemeinden und Initiativen getragen und zeichnet sich durch ein hohes Maß an lokaler Vernetzung, Innovationskraft, gemeinsamen Gestaltungswillen und vor allem Hilfsbereitschaft aus.
Wir fordern:
- Die Umsetzung und Verfeinerung der Berliner Engagement-Strategie voranzutreiben – insbesondere bei den Themen Digitalisierung, der Raumsituation für zivilgesellschaftliche Organisationen, der Aufwandsentschädigung für Ehrenamtliche und Freiwillige, demokratieförderlichen Mitspracherechten für die partnerschaftliche Beteiligung von Freiwilligen und der Kooperation von Unternehmen mit der Zivilgesellschaft.
- eine inklusive und diverse Teilhabe von Menschen zu fördern, die im bürgerschaftlichen Engagement bisher relativ wenig vertreten sind. Beispielhaft genannt seien von Armut Betroffene, Arbeitssuchende, Menschen mit Behinderung, ohne oder mit einem formal niedrigeren Bildungsabschluss, mit Migrations- oder Fluchterfahrung, Alleinerziehende, einsame oder ältere Menschen.
Ehrenamt braucht Hauptamt - verlässliche Förderbedingungen für Freiwilligenmanagement und Freiwilligenkoordination schaffen
Mit der Finanzierung von hauptamtlicher Freiwilligenkoordination in den Not- und Gemeinschaftsunterkünften für geflüchtete Menschen hat der Senat 2016 erstmals einen Schritt zur Förderung von Freiwilligenkoordination gemacht.
Wir fordern:
- Weitere Modellprojekte mit hauptamtlicher Freiwilligenkoordination mit anteiliger Finanzierung des Freiwilligenmanagements und wissenschaftlicher Begleitung in weiteren Zielbereichen zu fördern. Im Bereich der Wohnungslosenhilfe das von der LIGA konzipierte Modellvorhaben in den Haushalt 2024/2025 einzuplanen
- Bereichsübergreifend die hauptamtliche Freiwilligenkoordination und anteilig das Freiwilligenmanagement finanziell zu fördern
- In Förderrichtlinien eine angemessene tarifliche Eingruppierung der Freiwilligenkoordination und des Freiwilligenmanagements festzulegen, die Finanzierung zu sichern und so die Bedeutung von Freiwilligenmanagement und -koordination wertzuschätzen und anzuerkennen
- Erweiterung der Förderung der bezirklichen Freiwilligenagenturen auf Freiwilligenagenturen, die im gesamten Land Berlin arbeiten (Freiwilligenagentur Charisma)
- Das freiwillige Engagement und die staatlichen Förderstrukturen zu entbürokratisieren und Kürzungen im zivilgesellschaftlichen Bereich entgegen zu wirken. Dabei ist es dringend erforderlich, die Zuwendungen des Landes Berlin zu dynamisieren, den massiven Kostensteigerungen anzupassen und regelhafte Verwaltungskostenpauschalen zu gewähren!
- Anerkennung und finanzielle Entlastung von Engagierten durch Erstattung von Fahrtkosten, etwa in Verbindung mit der Ehrenamtskarte zu ermöglichen.
Bessere Finanzierung für die Freiwilligen im FSJ und BFD in Berlin
- Im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) gibt es derzeit zwischen 250 und 360 Euro Taschengeld für die Freiwilligen. Im Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) gibt es mittlerweile 510 Euro Taschengeld. Es ist ein fatales Zeichen, dass Freiwillige, die ihren Dienst in der Pflege, Erziehung oder sozialen Arbeit machen, deutlich schlechter gestellt werden. Das ist ungerecht und so können wir nur schwerlich junge Menschen für einen sozialen Beruf begeistern.
- Wir fordern daher, die Landesförderung für das FSJ durch das Land Berlin auch im Haushalt 2024/2025 fest zu verankern und auszubauen
- Wir fordern mehr Anerkennung für junge Menschen der Freiwilligendienste, zum Beispiel in Form eines kostenlosen ÖPNV-Tickets für alle Freiwilligen.
7. FAIRE CHANCEN FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNG!
Mensch und Sozialraum im Fokus: Das Bundesteilhabegesetz gemeinsam mit allen Akteuren umsetzen!
Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ist Chance und Herausforderung für alle Beteiligten: Leistungsträger, Leistungserbringer und die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung sollten den Rahmenvertrag partnerschaftlich aushandeln und gemeinsam formulieren. Für eine personenzentrierte, inklusive Leistungserbringung, die Teilhabe im jeweiligen Sozialraum ermöglicht. Dieser Aushandlungsprozess droht aber immer wieder an Finanzierungsfragen der neu festzulegenden Leistungen zu scheitern. Das Land darf nicht zulassen, dass Angebote bzw. Angebotsentwicklungen durch Sparvorgaben der Leistungsträger behindert werden. Dadurch wird das alte System im neuen verfestigt, die Entwicklung inklusiver Projekte erschwert und eine Leistungserbringung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonventionund des BTHG verhindert. Im Haushalt braucht es mehr Mittel zur weiteren Umsetzung des BTHG und im Integrierten Sozialprogramm (ISP) für die Behindertenhilfe.
Auch die Umsetzung der inklusiven Sozialraumorientierung muss gestaltet werden und angemessen finanziert sein.
Die Einrichtung einer Ombudsstelle bei Streitfällen im Zusammenhang mit dem neu ein-geführten Bedarfsermittlungsverfahren (TIB -Teilhabeinstrument Berlin) und der Ziel- und Leistungsplanung ist zwingend erforderlich
Diskriminierungen abschaffen: Konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
Die Verwirklichung, der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen muss konsequent fortgeführt werden. Der „Aktions- und Maßnahmenplan Berlin“ ist zu priorisieren und muss mit dringend notwendigen finanziellen Ressourcen abgesichert werden.
Die Umsetzung der Artikel 9 Abs. 1 und Artikel 21 der UN-BRK
Kommunikationsbarrieren müssen identifiziert und abgebaut werden. Betroffene erhalten häufig nicht die benötigte Unterstützung, da die Barrieren für die Information und Beantragung zu hoch sind. Diverse Hilfsmittel für gelingende Kommunikation müssen in der Kommunikation öffentlicher Stellen verfügbar sein.
Alle behördlichen Antragsunterlagen sollten auch in leichter Sprache erstellt werden und verfügbar sein. Übersichtliches, verständliches (barrierefreies) und mehrsprachiges Informationsmaterial zu Ansprüchen, Angeboten und Verfahrensweisen im Bereich Teilhabe wird dringend benötigt.
Wir fordern einen verbesserten Zugang zum Gesundheits-/Hilfesystem für geflüchtete Menschen mit Behinderung. Unbürokratische und schnelle Verfahren bei der Beantragung und der Kostenübernahme der Unterstützung durch Sprachmittler*innen über die ersten 18 Monate ihres Aufenthalts hinaus.
Die Umsetzung von Artikel 25 der UN-BRK
Menschen mit Behinderung werden bei der Gesundheitsversorgung in Berlin weiterhin diskriminiert. Die medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderungen müssen gestärkt, ausgebaut und bezüglich der Eingangskriterien für weitere Personenkreise geöffnet werden. Viele Arztpraxen sind weiterhin nicht Barrierefrei, hier bedarf es entsprechender Förderung und Beratung.
Gleichberechtigte Teilhabe für Kita-Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf gewährleisten
Gute Rahmenbedingungen sind eine wesentliche Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe des einzelnen Kindes in der Kita. Trotz Bereitschaft und vielfach hohem Engagement der Kita-Fachkräfte vor Ort bleibt der Zugang und/ oder die dauerhafte Betreuung in einer wohnortnahen Kita für Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf vielfach weiterhin versperrt.
Die Diakonie setzt sich für einen schnelleren und unkomplizierteren Zugang zu zusätzlichen und ergänzenden Leistungen für Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf ein und fordert die Politik zur Prüfung und Vereinfachung der Verfahren in den neu geschaffenen Teilhabefachdiensten Jugend auf. Kita muss gute Rahmenbedingungen vorhalten können, die über die sozialpädagogische Förderung hinausgehen, um Teilhabe zu sichern.
Darüber hinaus unterstützt die Diakonie eine Verstetigung der niedrigschwelligen Beratung für Familien und eine fachliche Praxisunterstützung durch die neu installierten Heilpädagogischen Fachdienste (HPFD). Aus Mitteln des „Gute-Kita-Gesetzes“ finanziert wurde die als sehr hilfreich eingeschätzte Unterstützungsstruktur bis Ende 2022 in fast allen Berliner Bezirken aufgebaut. Dieses niedrigschwellige Angebot für Familien und Fachkräfte in Kindertagesstätten sollte dauerhaft erhalten bleiben und im kommenden Landeshaushalt entsprechend berücksichtigt werden.
Fachkräfte- und Personalmangel in der Eingliederungshilfe entgegenwirken
Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen können nur durch ausreichende Fachkräfte bzw. Mitarbeitende langfristig gesichert werden. Die Personalsituation ist bereits heute sehr angespannt. Dem Personalmangel muss auf verschiedene Arten entgegengetreten werden.
Wir fordern eine Fachkraft- / Arbeitsmarktstudie für den Arbeitsbereich der Eingliederungshilfe. Diese Studie, sollte auch Brandenburg einbeziehen, da Berlin und Brandenburg in diesem Kontext als eine zusammenhängende Region zu betrachten sind. Die Studie soll Kriterien der attraktiven Arbeits- und sonstiger Bedingungen für die Versorgung von Menschen mit Behinderungen erheben und beschreiben und Lösungswege aus der Mangelsituation aufzeigen.
8. INTEGRATION UND SOZIALE TEILHABE STÄRKEN!
Gestaltung der Migrationsgesellschaft in einer modernen Einwanderungsmetropole – Migration und Antidiskriminierung sind Querschnittsthemen
Berlin hat einen Bevölkerungsanteil von Menschen mit Migrationsgeschichte von mehr als 35%. Diversität muss sich in der Ausbildungs- und Beschäftigtenstruktur der Organisationen und Unternehmen widerspiegeln und sollte durch gezielte Maßnahmen befördert werden. Migration und Antidiskriminierung stellen fachbereichsübergreifende Querschnittsthemen dar. Zivilgesellschaftliche Akteur:innen müssen insbesondere in der Arbeit zur Prävention und Bekämpfung von anti-islamischem und antisemitischem Rassismus gestärkt werden.
Berlin muss im Rahmen einer Anerkennungskultur eine Beschleunigung des Einbürgerungsverfahrens sowie das gemeinsame Vorhaben von Bund und Land, die Mehrstaatlichkeit bzw. doppelte Staatsbürgerschaft einzuführen, mit allen Kräften vorantreiben. Um das Einbürgerungsverfahren bürgernah und fair zu gestalten, ist die Einbeziehung der freien Wohlfahrtspflege unbedingt notwendig; eine alleinige Zentralisierung der Einbürgerungsverfahren ist nicht ausreichend.
Landesmittel für Programme wie Stadtteilmütter und Integrationslots:innen müssen den aktuellen Bedarfen der zugewanderten Menschen angepasst werden und gesichert und ausgebaut ausbauen.
Stärkung bestehender Beratungs- und Unterstützungsangebote für Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte
Die bestehenden Angebote der Migrationssozialarbeit (MSD) müssen flächendeckend in allen Bezirken ausgebaut werden. Um eine verlässliche Grundversorgung zu gewährleisten, müssen in allen Bezirken zwei Stellen für die Migrationssozialarbeit dauerhaft finanziert werden. Erhalt und Ausbau der bundesgeförderten Migrationsberatungsangebote unterstützen Die bundesgeförderten Programme „Migrationsberatung für Erwachsene Zuwanderer“ (MBE) und „Jugendmigrationsdienste“ (JMD) leisten seit vielen Jahren eine sehr erfolgreiche Arbeit. Wir fordern die zukünftig regierenden Parteien und ihre Abgeordneten auf, sich für den weiteren Ausbau und Erhalt der Bundesprogramme einzusetzen.
Das Angebot der landesfinanzierten unabhängigen Migrationsrechts- und Flüchtlingsberatung durch die Träger der freien Wohlfahrtspflege muss erhalten bleiben und in eine dauerhafte Finanzierungsstruktur übergehen. Um die Beratung langfristig zu etablieren, muss ein fester Haushaltsposten für die Beratung eingeräumt und die Projektfinanzierung beendet werden. Das Landesprogramm bietet weitreichende Beratung für Menschen außerhalb der Asylverfahrens an und stellt deshalb eine wichtige Ergänzung zum Bundesprogramm der unabhängigen Asylverfahrensberatung dar. Die Allgemeine Sozialberatung für Geflüchtete unterstützt die Integration in den Bezirken und leistet somit einen wichtigen Beitrag für ein gelungenes Zusammenleben. Um das Angebot der Sozialberatung flächendeckend sicherzustellen, ist eine berlinweit abgesicherte Finanzierung der allgemeinen Sozialberatung für Geflüchtete erforderlich.
Unterbringung und Beratung für EU-Bürger:innen sicherstellen
Eine sehr große Zuwanderungsgruppe in Berlin bilden EU-Bürger:innen. Ein Teil lebt in prekären Verhältnissen und ist von Obdachlosigkeit betroffen. Eine dauerhafte Absicherung von Beratungsangeboten an der Schnittstelle Migration/Wohnungslosenhilfe ist dringend notwendig. Wohnungslose EU-Bürger:innen müssen Zugang zu einer Unterbringung nach ASOG erhalten. Einige Bezirke verweigern jedoch weiterhin EU-Bürger:innen die Unterbringung und verweisen auf die Angebote der Kältehilfe. Die Leitlinien müssen umgehend und umfassend umgesetzt werden. Die Unterbringung von EU-Bürger:innen nach dem ASOG ist eine Leistung zum Schutz der Wohnungslosen bzw. der Menschenwürde und ist nicht verhandelbar.
Die bestehenden niedrigschwelligen Beratungsangebote unterstützen die Ratsuchenden bei der Existenzsicherung und Entwicklung einer dauerhaften Perspektive. Die Projekte werden aus EU-, Bundes- und Landesmitteln gefördert und sind weder ausfinanziert noch langfristig angelegt. Das Land Berlin muss sich dafür einsetzen, dass die EU bzw. bundesfinanzierten Projekte fortgeführt werden und die Ko-Finanzierung der Projekte sichergestellt wird. Darüber hinaus ist eine Verbesserung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen dringend umzusetzen, um die Angebote der Wohnungslosenhilfe mit den Migrationsangeboten stärker zu verzahnen. Eine dauerhafte Absicherung der Projekte an der Schnittstelle Migration/Wohnungslosenhilfe ist dringend notwendig. Die Refinanzierung von Personal- und Sachkosten muss dabei verbessert werden.
Ausschreibungspraxis im Rahmen der Vergabe von Flüchtlingsunterkünften im Land Berlin verbessern
Die aktuelle Ausschreibepraxis von Flüchtlingsunterkünften sollte neu überdacht werden. Das Ziel muss eine qualitätsorientierte Unterbringung der Bewohner:innen und faire Entlohnung der Mitarbeiter*innen sein. Nur durch verbesserte Ausschreibungen kann die Qualität der Unterbringung für Geflüchtete sichergestellt und verhindert werden, dass gute Betreiber und ihre Angebote aus dem Markt verdrängt und bereits erreichte Standards erhalten bleiben. Insbesondere bei Vergabe und Betrieb von Notunterkünften in der aktuell angespannten Situation muss die Einhaltung der Qualitätsstandards (Gewalt-, Kinderschutz, Privatsphäre, kurze Dauer in Aufnahme/Notunterkunft) gewährleistet werden. Dabei sollen insbesondere vulnerable Gruppen berücksichtigt werden. Auch in der aktuellen Notlage soll die angemessene Vertragslaufzeit von mindestens einem Jahr für Notunterkünfte gewährleistet werden. Grundsätzlich fordern wir eine Ausschreibung mit langfristigen Vertragslaufzeiten; es sind Laufzeiten von bis zu 8 Jahren möglich.
Einhaltung der Vorgaben des Bundes bei Abschiebungen
Das Land Berlin soll sich für den Stopp des kostenintensiven Projekts eines Ein- und Ausreisezentrums am BER einsetzen. Der geplante Bau des sog. Behördenzentrums wird das Aufnahmesystem in Berlin und Brandenburg aus Sicht der Diakonie weder quantitativ entlasten noch qualitativ weiterentwickeln. Die Rechte Asylsuchender können im sog. Flughafenverfahren nicht in ausreichendem Maße Berücksichtigung finden. Beratung und Rechtsschutz müssen für alle Geflüchteten sichergestellt und ein Freiheitsentzug möglichst vermieden werden. Berlin und Brandenburg müssen eine abgestimmte Lösung für die die Beendigung des Ausreisegewahrsams finden und sich auf Bundesebene für die Abschaffung des sog. Flughafenverfahrens einsetzen.
Die Länder Berlin und Brandenburg müssen aus Sicht der Diakonie in allen behördlichen Weisungen darauf hinweisen, dass ein Betreten von Wohnungen in Unterkünften für Geflüchtete zum Zwecke von Abschiebungen als Durchsuchung zu qualifizieren ist und einen Durchsuchungsbeschluss zwingend erforderlich macht. In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass auf Nachtabschiebungen verzichtet wird und die geltende Rechtslage einzuhalten ist.
Gleichbehandlung für Geflüchtete sicherstellen
Geflüchtete Menschen aus der Ukraine mit einer anderen Staatsangehörigkeit brauchen eine langfristige Bleibeperspektive in Berlin. Der Berliner Senatsbeschluss mit einer Sechs-Monats-Fiktion für Drittstaatsangehörige, die in der Ukraine studiert haben, war zu kurz gedacht. Zum einen muss ein mindestens 24-monatiger Aufenthalt zugesagt und die Regelung muss alle aus der Ukraine geflohenen Drittstaatsangehörigen umfassen, nicht nur Studierende.
Die Möglichkeit zur Integration von Anfang an fürgeflüchtete Menschen aus der Ukraine ist ein großer Erfolg. Sie zeigt aber auch eindeutig eine unterschiedliche Bewertung der Fluchthintergründe, des Fluchtlandes und der Definition von Kriegsgeschehen im Vergleich zu anderen Orten dieser Welt. Geflüchteten Menschen aus allen Ländern soll rasch Zugang zu Integrationsmaßnahmen, Sprachkurs und dem Arbeitsmarkt gewährt werden. Berlin soll die gesetzlichen Spielräume zum Wohle der Menschen nutzen. Der Zugang zu Integrationsmaßnahmen soll geflüchteten Menschen unabhängig von ihrem Herkunftslande zur Verfügung stehen. Dafür soll sich das Land Berlin auf Bundesebene einsetzen.
Pressekontakt
Sebastian Peters
Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit
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